Alera 02 - Zeit der Rache
verließ, und wusste, dass mir noch reichlich Zeit blieb. Sahdienne erschien eine Stunde später mit meinem Frühstück. Außerdem half sie mir, einen schlichten Rock und eine Bluse anzuziehen. Das Haar flocht sie mir zu einem langen Zopf, der mir auf den Rücken hing. Die Bluse, für die ich mich entschieden hatte, war einfach im Schnitt, aber dennoch elegant. Dazu würde ich einen prächtigen Umhang in den Farben Königsblau und Gold tragen, der mit dem Wappen der königlichen Familie bestickt war.
Ich entließ meine Kammerzofe und begab mich in den Salon, wo ich nur wenig frühstückte und auf die Zofe wartete, die meine Reithose bringen würde. Nach einer weiteren Stunde brachte ein Mädchen das Kleidungsstück, und ich zog es anstelle des Rockes an. Ich war zufrieden mit ihrem Sitz und mit meiner gesamten Erscheinung. Dann drückte ich Kätzchen noch einmal, bevor ich mit dem Cape über dem Arm auf die Tür zuging. Kaum hatte ich den Riegel in der Hand, fiel mir ein, dass ich etwas vergessen hatte. Also kehrte ich in mein Schlafgemach zurück, kniete mich vor die Truhe an der gegenüberliegenden Wand und hob langsam den schweren Deckel an. Auf einem Samtkissen lag die offizielle Krone der Königin. Vorsichtig nahm ich sie heraus, trat an den Spiegel und setzte sie mir – seit der Krönung zum ersten Mal – aufs Haupt. Zufrieden mit meinem Spiegelbild als Herrscherin wandte ich mich ab und ging auf den Flur hinaus, wo Destari mich bereits erwartete.
Als mein Leibwächter und ich den oberen Absatz der Prunktreppe erreichten, sah ich gut dreißig Männer, die sich in der Eingangshalle versammelt hatten. Einige trugen die Uniform der Elitegardisten, andere die der Palastwachen. Steldor stand in angespannter Haltung und mit verschränkten Armen an der östlichen Wand, neben ihm Galen.
Gerade als ich die Stufen hinabschritt, erschien Cannan aus dem Vorzimmer, dicht gefolgt von London. Zu meiner Überraschung kam hinter ihm mein Vater mit gerunzelter Stirn. Seine Gesten unterstrichen seine Missbilligung. Ich verzog keine Miene, als er angesichts meiner Garderobe den Kopf schüttelte, denn ich wollte mich von seinen zu erwartenden Äußerungen nicht entmutigen lassen.
Cannan nahm meine Anwesenheit mit einer kleinen Verbeugung zur Kenntnis, dann trat London an mich heran. Die Miene meines Vaters verfinsterte sich weiter, je länger er mich musterte, dann eilte er dem Hauptmann nach, der inzwischen mit Halias und einigen anderen Männern sprach.
»Du kommst genau zum richtigen Zeitpunkt«, sagte London und nickte Destari wohlwollend zu. »Wir werden in Kürze aufbrechen.« Er grinste, dann fügte er noch hinzu: »Ich wollte schon eine Zofe schicken, dich zu wecken.«
Mit einem Blick auf die zahlreichen Soldaten fragte ich ihn, was ich ohnehin schon vermutete.
»Kommen sie alle mit uns?«
»Sie und noch ein Trupp der Kavallerie. Wenn die Verhandlungen scheitern, wollen wir nicht zahlenmäßig unterliegen.«
Zum ersten Mal wurde mir die Gefahr, in die ich mich begab, voll bewusst, und ich spürte, wie sich auf meinen Armen eine Gänsehaut bildete. Ich hatte einerseits Angst, andererseits war ich auch aufgeregt, weil ich in diese politische und militärische Angelegenheit einbezogen wurde. Denn ansonsten waren diese Dinge bei uns reine Männersache.
Cannan kam zurück, und Destari trat an seine Seite. Halias hatte den anderen Soldaten »Habt acht!« befohlen und führte sie nun durch die Palasttore und über den langen Weg durch den Innenhof.
»Wir sind zum Aufbruch bereit, Eure Hoheit«, ließ der Hauptmann mich wissen, und ich begriff, dass an diesem Tag alles streng nach Protokoll ablaufen würde. Er und seine Stellvertreter geleiteten mich zu den Doppeltüren und bildeten dabei ein Dreieck rund um mich. Als wir an Steldor und Galen vorbeigingen, schlug Cannan, der ihnen am nächsten kam, seinem Sohn aufmunternd auf die Schulter. Steldor zeigte keinerlei Reaktion, sondern hielt seinen Blick starr auf mich gerichtet. Gerade wollte ich über die Schwelle treten, als er meinen Namen rief.
»Alera, warte.« Er kam auf mich zu, langte hinauf und nahm mir die Krone vom Kopf. »Diesmal nicht«, sagte er und blickte mir dabei tief in die Augen. »Es ist nicht nötig, dich noch deutlicher als Zielscheibe zu kennzeichnen. Ich werde sie bis zu deiner Rückkehr für dich aufbewahren.«
Ich nickte dankbar und trat mit meiner Eskorte nach draußen. Meine Lungen brannten von der unerwartet scharfen Morgenluft, als wir uns
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