Alera 02 - Zeit der Rache
hatte als seltenes Zeugnis seiner Überraschung die Augenbrauen gehoben. Steldor blieb sitzen und musterte mich mit eigenartigem Blick.
»Ihr habt Euch sehr gut geschlagen«, lobte der Hauptmann. »Ich bin beeindruckt.«
»Daran bestand ja wohl kein Zweifel«, fügte der sichtlich stolze London hinzu.
Cannan ließ seine Augen durch den mit Dutzenden von Wachen bevölkerten Thronsaal wandern und entschied, dass wir in privaterer Atmosphäre reden mussten.
»Es gibt viel zu besprechen«, sagte er und winkte uns zu dem Strategiesaal an der Ostseite der Halle.
Cannan, London, Destari, Steldor, Casimir und ich verließen die Empore. Halias, dem man wie London die Rückkehr in den Dienst gestattet hatte, begleitete uns ganz selbstverständlich. Cannan winkte auch Galen mitzukommen. Im Raum selbst suchte jeder sich einen Sitzplatz, dann schloss der Hauptmann nachdrücklich die Tür, um das Stimmengewirr der im Thronsaal Zurückgebliebenen auszusperren. Danach trat er entschlossen an den Tisch, um den wir uns versammelt hatten.
»Es gilt jetzt zu überlegen, was die Cokyrier verlangen werden und zu welchen Zugeständnissen wir bereit sind. Außerdem müssen wir entscheiden, wer uns bei der Zusammenkunft vertreten soll.«
»Das muss Alera tun«, erklärte London unumwunden, bevor irgendein anderer das Wort ergreifen konnte.
»Nein, das wird sie nicht«, schaltete Steldor sich ein und der Ton seiner Stimme weckte Unbehagen in mir.
London ging gar nicht auf den Widerspruch des Königs ein, sondern ignorierte dessen Autorität und fuhr fort, seinen Standpunkt zu erklären.
»Es ist unerlässlich, dass wir die grundlegende Bedingung der Cokyrier erfüllen. Die Hohepriesterin hat da keine leere Drohung ausgesprochen. Sie wird sich auf kein Gespräch einlassen, sofern die Königin nicht zugegen ist.«
»Glaubt Ihr wirklich, dass sie die Verhandlungen aufs Spiel setzen wird, nur weil wir eine Bedingung nicht erfüllen, von der wir wissen , dass sie nicht von ihr selbst stammt?«
Steldor glaubte also offenbar, dass Narian hinter dieser Forderung steckte, und ich spürte ein seltsames Flattern meines Magens bei der Vorstellung, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach anwesend sein würde. London hatte gesagt, ich müsse persönlich erscheinen, doch auf einmal wollte ich das auch. Meine Gedanken und Gefühle in Bezug auf diesen jungen Mann waren so verwirrend, doch ihn zu sehen, wäre eine Gelegenheit, herauszufinden, inwiefern er sich verändert hatte. Die Tatsache, dass man nach der Königin verlangt hatte, bedeutete mit großer Wahrscheinlichkeit, dass er um meine Ehe wissen musste. Vielleicht war Narian, was mich betraf, ebenso verstört wie ich in Bezug auf ihn.
Ich erwartete betretene Stille als Reaktion auf Steldors Bemerkung, doch Cannan fuhr ohne Umschweife fort.
»Die Forderung mag von Narian stammen oder auch nicht, wir müssen uns jedenfalls so verhalten, dass Mirannas Sicherheit gewährleistet ist. Wir können nicht riskieren, dass die Hohepriesterin nicht Wort hält, insbesondere da die Erfüllung dieser Bedingung relativ leicht ist.«
»Ihr habt recht«, sagte Steldor mit zusammengebissenen Zähnen und traf damit eine Entscheidung als König, nicht als Ehemann. »Dann muss sie also mit uns kommen.«
Cannan, London und Destari tauschten Blicke, die Steldor entgingen, aber ich konnte spüren, wie die Stimmung im Saal umschlug, als würden die Männer sich gegen einen aufziehenden Sturm wappnen.
»Es wird nur vonnöten sein, dass ein Mitglied der Königsfamilie zugegen ist. Also besteht kein Grund, den König und die Königin in Gefahr zu bringen.«
Der ganze Raum schien den Atem anzuhalten und alle warteten darauf, ob Steldor mit einem seiner berüchtigten Temperamentsausbrüche auf Cannans Feststellung reagieren würde.
»Ich werde zugegen sein«, versicherte Steldor und starrte Cannan geradezu ungläubig an. »Vater?«, fügte er noch hinzu, während der Hauptmann lediglich seinem Blick standhielt und bei seiner Meinung blieb.
»Ich werde nicht zugegen sein«, gab der König nach. Er schien erstaunt und verstimmt, lehnte sich zurück und war bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr diese Entwicklung ihn kränkte. Als Soldat wollte er an der Operation natürlich beteiligt sein, aber gleichzeitig musste er sich auch eingestehen, dass Cannan recht hatte: Es wäre unklug, beide Herrscher Hytanicas gleichzeitig einem Risiko auszusetzen. Und da es offenbar unvermeidlich war, dass ich daran teilnahm,
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