Alera 02 - Zeit der Rache
würde er es demnach nicht tun.
Der Hauptmann kam zum nächsten Punkt und war gewiss froh, das heikle Thema hinter sich zu lassen.
»London wird in unserem Namen verhandeln«, sagte Cannan, und ich wusste, dass sein Stellvertreter ohnehin davon ausgegangen war. »Er ist besser als wir alle imstande, die Cokyrier zu durchschauen. Was wir nun noch überlegen müssen, ist, was der Feind von uns fordern könnte und was wir ihm zuzugestehen bereit wären.«
»Nichts«, meldete London sich sogleich zu Wort. »Wir können ihm nichts anbieten.«
»Aber was wird dann aus Miranna?«, platzte ich dazwischen, aus Angst, die anderen würden ihm im nächsten Moment zustimmen. »Wir müssen doch etwas tun, um ihr zu helfen!«
London musterte mich mit beunruhigend mitleidigem Blick, bevor er sich wieder an den Hauptmann wandte.
»Nichts, was wir ihnen anbieten könnten, würde Mirannas Rückkehr sicherstellen. Die Cokyrier sind ruchlos, wie jeder der hier Anwesenden weiß. Wir könnten ihnen unser ganzes Königreich anbieten, doch sobald sie es hätten, würden sie sich nicht im Geringsten dazu verpflichtet fühlen, ihrem Teil der Vereinbarung nachzukommen. Der Overlord würde Miranna ohne Zögern töten und dabei noch über unsere Dummheit lachen.«
Entsetzt schnappte ich nach Luft, aber niemand widersprach Londons Einschätzung der Lage. Es war Destari, der sich schließlich zu Wort meldete.
»Sollten die Cokyrier Miranna also tatsächlich zu der Zusammenkunft mitbringen, bleibt uns nichts anderes, als zu versuchen, sie zu befreien.«
London nickte. »Ja. Für den Fall, dass sie anwesend ist, brauchen wir einen Plan. Halias und ich werden diese Aufgabe übernehmen.«
Der Hauptmann nickte und brachte damit die Besprechung zu einem beunruhigenden und unbefriedigenden Ende. Das war zumindest mein Standpunkt, denn die langersehnten Verhandlungen mit den Cokyriern schienen meiner Schwester die Rückkehr keinen Schritt näher zu bringen.
Von den folgenden Besprechungen wurde ich ausgeschlossen, weil es sich, wie man mir mitteilte, um strategische Themen handelte. Und auch wenn meine Hoffnung auf die Heimkehr meiner Schwester geschwunden war, ließ das meinen Glauben an die Männer, die ihre Rettung planten, seltsamerweise unberührt. Cannan und seinen Stellvertretern traute ich offenbar alles zu.
Steldor war in dieser Zeit unerträglich launisch. Er schien mir die Schuld daran zu geben, dass meine Anwesenheit bei den Verhandlungen unerlässlich war. Seiner Ansicht nach war der Grund dafür wohl mein großer Fehler – hätte ich mich nicht auf Narian eingelassen, wäre es den Cokyriern nicht eingefallen, auf mein Erscheinen zu bestehen. Seine Gereiztheit über Kätzchens Namen oder besser: das Fehlen eines solchen hielt ebenfalls an. Ich verdrehte ständig die Augen, sobald er mir den Rücken kehrte, und stand immer wieder kurz davor, selbst einen Unmutsausbruch zu erleiden.
Einen Tag vor der anberaumten Unterredung mit dem Feind suchte London mich am frühen Nachmittag auf und erklärte mir, welche Rolle ich spielen sollte.
»Wenn wir auf die Brücke zugehen, wirst du unter schwerer Bewachung stehen. Du trittst mit Cannan, Destari, mir und einigen weiteren ausgewählten Gardisten vor, brauchst aber kein Wort zu sprechen. Wir wollen damit nur der Hohepriesterin deine Anwesenheit signalisieren. Dann wird Destari dich zu deiner Kutsche zurückeskortieren, und Cannan und ich regeln den Rest.«
Ich nickte automatisch, doch dann kam ich auf seinen letzten Satz zurück.
»Ich kann aber auch reiten«, sagte ich und musste an die kämpferischen, selbstbewussten cokyrischen Frauen denken und daran, was sie von einer Königin in einer Kutsche halten mochten.
London fuhr sich mit der Hand durch die Haare und musterte mich zögernd.
»Ich habe den Unterricht fortgesetzt«, murmelte ich kleinlaut und rechnete mit seinem Widerspruch. Daher empfand ich Dankbarkeit, als er lediglich mit den Schultern zuckte.
»Wenn du es tatsächlich kannst, sollten wir das nutzen, schon allein weil es praktischer ist. Brauchst du ein Paar Reithosen?«
»Nein, ich habe welche, die ich nehmen kann.«
»Passen die auch?«
Ich vermutete, dass er an das viel zu weite Paar dachte, das ich mir von Steldor geborgt und getragen hatte, als er mich auf Koranis’ Gut entdeckte.
»Mehr oder weniger«, gestand ich errötend. »Baelics Tochter Shaselle hat sie mir geliehen.«
»Sei’s drum. Jedenfalls brauchst du welche, die dem Anlass entsprechen«, sagte
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