Alera 02 - Zeit der Rache
den Toren näherten, vor denen fünfzig Kavalleriesoldaten in ordentlicher Formation uns erwarteten. Halias und seine Truppe standen ebenfalls mit ihren Pferden bereit, wie auch die Stallburschen mit den Reittieren für mich und die drei Kommandanten, die den ganzen Tag an meiner Seite bleiben sollten.
Ein Pferd war für mich mit einem verzierten Ledersattel vorbereitet, der auf einer kostbaren Decke in den hytanischen Farben Königsblau und Gold lag. Das Tier selbst war größer als jedes, das ich bisher geritten hatte, aber es stand ganz ruhig neben dem Stallburschen. Ich nahm ein wenig mehr Schwung als sonst, um in den Sattel zu kommen, da so viele Augen auf mir ruhten und ich nicht im Geringsten ungeeignet für diese Art der Fortbewegung erscheinen wollte.
Sobald alle aufgesessen waren, begann unsere Prozession durch die Stadt, die entlang der breiten Durchgangsstraße viele Schaulustige anlockte. Ich ritt unmittelbar hinter Cannan und London. Destari, Halias und andere hochrangige Gardisten schützten mich von hinten.
In grimmigem Schweigen passierten wir die Stadttore, beschleunigten dann unser Tempo, und ich spürte, wie wieder viele Männer ihre Augen auf mich richteten, um zu sehen, ob ich stürzte. Ich packte die Zügel fester und war entschlossen, nicht zu wanken, auch wenn ich fürchtete, allein der Gedanke daran in so vielen Köpfen könne es geschehen lassen. Nicht lange nachdem wir die Stadt hinter uns gelassen hatten, trennte sich Halias mit den Männern unter seinem Kommando von uns und ritt gen Osten. Ich wusste, dass ihnen die Aufgabe zukam, Mirannas Rettung zu versuchen, falls man sie tatsächlich zu der Zusammenkunft mitbrachte.
Beinahe zwei Stunden lang ritten wir in gleichmäßigem Tempo in Richtung Süden auf den Fluss zu. Dabei zog ich meinen Umhang fest um mich, um die Kälte abzuwehren. Als die Brücke in Sichtweite kam, begann mein Herz nicht allein von der körperlichen Anstrengung heftig zu klopfen. Die Cokyrier blickten uns vom gegenüberliegenden Ufer entgegen, keine hundert Meter vom Fluss selbst entfernt. Wir machten Halt, und das Rauschen der Bäume im Wind steigerte meine schlimmen Vorahnungen von lauernder Gefahr. Ich blinzelte gegen die Herbstsonne und versuchte bereits, meine Schwester unter den feindlichen Truppen zu entdecken, die uns zahlenmäßig nur knapp unterlegen waren.
Beide Truppenkontingente nahmen einander über den an dieser Stelle beachtlich breiten Recorah in Augenschein, während Cannan sogleich Bogenschützen auf unserer Uferseite verteilte. Dann winkte der Hauptmann uns, weiterzureiten, und so lenkten wir unsere Pferde langsam über die schmale Brücke.
Vor der scheinbar massiven Mauer schwarz gekleideter Cokyrier blieben wir stehen, während sich unsere Männer in unserem Rücken weiter auffächerten. Der Mann und die Frau an der Spitze der Feinde lösten sich mit einer Eskorte von zehn Wachen und ritten auf uns zu. Ich erkannte die Hohepriesterin sogleich an ihrem flammend roten Haar. Der Mann an ihrer Seite war mir nicht auf Anhieb bekannt. Mein erster erschreckender Gedanke war, dass der Overlord gemeinsam mit seiner Schwester erschienen war. Doch als sich die kleine Gruppe näherte, wurde sein Gesicht deutlicher, und mein Herz begann wie eine Trommel zu schlagen. Narian war also persönlich anwesend.
Die Cokyrier saßen auf halber Strecke zwischen ihren und unseren Truppen ab, dann trat eine der Wachen der Hohepriesterin vor, um uns zu begrüßen.
»Wir treten unbewaffnet vor, um in Frieden mit der Königin von Hytanica zu sprechen. Erweist uns die Ehre, es uns gleichzutun.«
Am Rande meines Gesichtsfeldes sah ich Sonnenstrahlen auf Cannans und Londons Schwertern blitzen. Wir saßen ab und ein Dutzend Wachen, die uns begleiten würden, folgte unserem Beispiel. Ohne ein Wort reichte jeder Mann aus unserer Verhandlungsgruppe jeweils einem unserer Berittenen seine Waffen. Ich warf London einen fragenden Blick zu, da er den in seinem Stiefel verborgenen Dolch nicht ausgehändigt hatte. Einerseits wunderte ich mich darüber, andererseits war ich ihm dankbar, weil er unserem Feind offenbar nicht wirklich traute. Dann gingen wir allesamt weiter, bis uns nur noch gute zehn Meter von den Cokyriern trennten.
Aus der feindlichen Verhandlungsgruppe lösten sich vier Menschen, die Hohepriesterin und Narian eingeschlossen, und machten einige Schritte vorwärts. Dabei bauschten sich ihre rot gesäumten schwarzen Umhänge hinter ihnen im stürmischen Wind.
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