Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
über den Ministerpräsidenten und seine Mitarbeiter verfügbar waren, aber Giambrey sagte, diese Informationen seien nicht sonderlich hilfreich.
Im Vorjahr hatte ich beinahe zwei Wochen allein bei den Stummen verbracht. Ich hatte sogar Borkarat besucht, wo ich Selotta begegnet war. »Das ist der eigentliche Grund für unsere Anwesenheit«, sagte Alex zu mir, als wir allein auf der Brücke waren. »Du hast Erfahrung mit ihnen. Du bist unsere einzige realistische Hoffnung, diese Mission erfolgreich abzuschließen!«
»Und warum war ich dann in seinem Büro die unsichtbare Frau?«
»Ich weiß es nicht! Vielleicht dachte Kilgore, du würdest dich besser fühlen, wenn er dich übergeht, damit du nicht unter Druck gerätst.«
»Und warum reichst du dann den Druck an mich weiter?«
»Hör mal, meine Hübsche, Druck ist dein zweiter Vorname!« Er grinste. »Entspann dich! Ich weiß, du bist gut in solchen Dingen. Und ich auch. Giambrey vermutlich ebenfalls, aber er wird auf Borkarat überfordert sein. Du weißt es, ich weiß es, und er weiß es auch. Er wird sich also darauf verlassen, dass wir unseren Charme spielen lassen, um die Stummen dazu zu bringen, uns das zu geben, was wir brauchen. Was sie selbst auch brauchen, wenn man es genau betrachtet.«
»Tja, dann wünsche ich uns mal viel Glück!«, brummte ich.
Zu meiner Verwunderung nahm mich Giambrey irgendwann zur Seite und erzählte mir weitgehend das Gleiche. »Nichts von all dem gefällt mir«, gestand er. »Es ist, als würde man Loki mit aufgedeckten Karten spielen. Ich habe keine Ahnung, wie ich unter solchen Umständen mit diesen Kreaturen verhandeln soll. Darum möchte ich, dass Sie, sobald wir die Verhandlungen beginnen, mir mit Rat und Tat zur Seite stehen und dabei kein Blatt vor den Mund nehmen! Sagen Sie mir einfach, was Sie wirklich denken, einverstanden?«
»Okay.«
»Sind sie so abstoßend, wie ich gehört habe?«
»Nein«, sagte ich. »Das ist übertrieben. Aber Sie werden eine spontane Reaktion spüren.«
»Ich werde mich aber doch nicht übergeben, oder? Ich habe mit Stummenavataren gearbeitet, und das war gar nicht so schlimm.«
»Gut! Wunderbar! Sie werden es schaffen, Giambrey!« Tatsächlich war die Wirkung eines Avatars deutlich schwächer als die des Originals. Ich nehme an, das liegt ganz einfach daran, dass man weiß, man hat es nur mit einem Avatar zu tun. Die Reaktion, wenn ein lebendiger Stummer den Raum betritt, fällt deutlich intensiver aus. Aber das behielt ich für mich. »Passen Sie auf, Folgendes wird passieren: Sie werden versuchen, Ihre instinktive Reaktion zu unterdrücken. Tun Sie das nicht! Lassen Sie sie einfach zu, und nach einer Weile haben Sie sich daran gewöhnt! Die Stummen reagieren ganz ähnlich auf uns. Aber sie sind ziemlich klug, und wenn Sie es einfach geschehen lassen, werden sie darüber lachen. Das Ganze entwickelt sich zu einem Spaß.«
»Wirklich?«
»Nutzen Sie die Mission und schließen Sie Freundschaften! Für Sie und Salud Afar kann das in Zukunft nur nützlich sein.«
Seine Kiefer mahlten. »Falls es eine Zukunft für Salud Afar gibt!«
Wir spielten also Karten und taten so, als käme alles in Ordnung. Am Abend vor unserer Ankunft gönnten wir uns eine besonderes Mahlzeit. Wir schenkten Wein ein und tranken auf die Heimatwelt und unseren Erfolg.
Gegen 0600 Schiffszeit weckte mich Belle, um mir zu sagen, dass wir unser Ziel erreicht hätten.
35
Ehrlich zu sein ist eine gute Sache. Aber auch Ehrlichkeit hat ihre Grenzen. Wenn es dir darum geht, die Dinge voranzutreiben, dann ist Öffentlichkeitsarbeit das, was du wirklich brauchst.
Etüde in Schwarz
Borkarat war der Ort, an dem ich Selotta kennen gelernt hatte, die nach wie vor das Museum für fremdartige Lebensformen leitete. Kassel führte dort als Regierungsorgan ein offenkundig angenehmes Leben, ganz im Gegenteil zu allem, was ein menschlicher Politiker zu erwarten gehabt hätte. Politik von eiserner Hand funktionierte unter Stummen nicht so recht.
Und das, so hoffte ich, würde unsere Rettung sein. Vielleicht konnte eine ruhige, vernünftige Herangehensweise an das Thema Krieg zum Frieden beitragen. Das Problem war allerdings, dass die Ashiyyur uns als minderwertige Spezies betrachteten. »Wie ist das möglich?«, fragte Giambrey. »Technologisch befinden wir uns auf einer Ebene mit ihnen, und sie hatten Vorsprung vor uns. Sie haben schon mehrere Tausend Jahre, bevor wir von den Bäumen geklettert sind, in
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