Alex Cross 05 - Wer Hat Angst Vorm Schattenmann
einen bestimmten Fall abschließen – und zwar schnellstmöglich. Gestern wurde auf der M Street ein Tourist niedergeschossen und ausgeraubt«, sagte er. »Ein sehr angesehener deutscher Arzt aus München. Er ist den Schussverletzungen erlegen. Die Sache steht auf der Titelseite der heutigen Post und natürlich jeder Scheißzeitung in Deutschland. Ich möchte, dass Sie diesen Mordfall bearbeiten, und ich will ihn pronto gelöst haben.«
»War dieser Arzt Weißer?«, fragte ich mit betont neutralem Gesichtsausdruck.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass er Deutscher ist!«
»Ich habe bereits mehrere ungelöste Fälle im Southeast«, erklärte ich Pittman. »Am Wochenende wurde eine Krankenschwester ermordet.«
Darüber wollte er nichts hören. Er schüttelte den Kopf – - einmal . »Und jetzt haben Sie einen wichtigen Fall in Georgetown. Lösen Sie diesen Fall, Cross. Sie arbeiten an nichts anderem. Das ist ein direkter Befehl – vom Häuptling.«
S obald Cross das Büro Chief Pittmans verlassen hatte, schlüpfte eine Beamtin der Mordkommission, Detective Patsy Hampton, durch eine Seitentür, die in den angrenzenden Konferenzraum führte. Detective Hampton hatte von Pittman die Anweisung erhalten, alles zu belauschen, die Situation aus der Sicht eines Streifenpolizisten zu beurteilen und ihm dann Ratschläge zu erteilen.
Hampton mochte diese Aufgabe ganz und gar nicht, aber es war ein Befehl Pittmans. Auch sie mochte Pittman nicht. Er war dermaßen verklemmt, dass man nach ein paar Wochen einen Diamanten hätte, wenn man ihm ein Stück Kohle in den Hintern stecken würde. Er war bösartig, kleinlich und rachsüchtig.
»Sehen Sie, womit ich es hier zu tun habe? Cross weiß, wie er alle meine Knöpfe drücken muss. Anfangs hat er die Beherrschung verloren, aber jetzt ignoriert er einfach, was ich sage.«
»Ich habe alles gehört«, sagte Hampton. »Ja, er ist aalglatt.«
Sie pflichtete Chief Pittman bei, ganz gleich, was der sagte.
Patsy Hampton war eine attraktive Frau mit kurz geschnittenem sandblondem Haar und den durchdringendsten blauen Augen westlich von Stockholm. Sie war einunddreißig und machte sehr schnell Karriere im Dezernat. Mit sechsundzwanzig Jahren war sie die jüngste Beamtin bei der Mordkommission in Washington gewesen. Jetzt schwebten ihr weit höhere Ziele vor.
»Aber eines sehen Sie falsch. Sie haben ihn am Boden! Ich weiß, dass Sie ihn geschlagen haben.« Sie sagte Pittman, was er hören wollte. »Er verdrängt alles nur sehr geschickt.«
»Sind Sie sicher, dass er sich mit diesen anderen Detectives trifft?«, fragte Pittman.
»Meines Wissens haben sie sich dreimal getroffen, jedes Mal im Haus von Cross an der Fünften Straße. Ich vermute, es hat noch mehr Treffen gegeben. Das habe ich von einem Freund Detective Thurmans erfahren.«
»Aber die Burschen treffen sich nicht, wenn einer von ihnen im Dienst ist, oder?«
»Nein, soviel ich weiß nicht. Sie sind vorsichtig. Sie treffen sich in ihrer Freizeit.«
Pittmans Miene verdüsterte sich, und er schüttelte den Kopf.
»Das ist verdammt schlecht. Dadurch ist es schwieriger, den Kerlen etwas anzuhängen, das ihnen richtig schadet.«
»Soviel ich gehört habe, sind die vier der Meinung, dass das Dezernat finanzielle Mittel zurückhält, mit deren Hilfe eine Reihe ungelöster Mordfälle im Southeast und in Teilen des Northeast geklärt werden könnten. Bei den meisten Morden sind die Opfer Frauen hispano-amerikanischer Abstammung oder Farbige.«
Pittman biss die Zähne zusammen und starrte an Hampton vorbei. »Die Zahlen, die Cross nennt, sind völliger Blödsinn«, stieß er wütend hervor. »Bullshit. Bei ihm ist alles politisch.
Was können wir an finanziellen Mitteln gegen die Morde an Drogensüchtigen und Prostituierten im Southeast aufbringen?
Da murkst ein Krimineller doch den anderen ab! Sie wissen ja, wie es in diesen schwarzen Stadtteilen zugeht.«
Hampton nickte wieder. Sie pflichtete Pittman immer bei, sobald sich die Gelegenheit bot. Sie hatte Angst, seine Protektion zu verlieren, wenn sie das Verkehrte sagte, indem sie die Wahrheit sprach. »Cross und die drei anderen glauben, dass zumindest einige Opfer unschuldige Frauen waren. Diese Krankenschwester aus der Notaufnahme, die vergangenes Wochenende ermordet wurde, war eine Freundin von Cross und Detective John Sampson. Cross glaubt, im Southeast treibe ein Mörder sein Unwesen, der es auf Frauen abgesehen hat.«
»Ein Serienmörder im Getto? Jetzt machen Sie mal
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