Alex Cross 07 - Stunde der Rache
bei Denny's Restaurant, aus dem es nach Williams Meinung nach gebratenem Speck und fetten Leuten stank.
Michael lächelte, als er sah, was sein Bruder vorhatte. Sie hatten so was schon früher gemacht.
Vor ihnen leuchtete ein Reklameschild in schwarz und weiß: Bestattungsunternehmen Sorel.
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W illiam brauchte keine Minute, um die Hintertür des Bestattungsunternehmens zu knacken. Es war kein Problem, weil die Sicherungsvorkehrungen minimal waren.
»Und jetzt stärken wir uns ordentlich«, sagte er zu Michael. Er wurde aufgeregt. Sein Geruchssinn führte ihn in den Raum zum Einbalsamieren. Dort entdeckte er drei Leichen in den Gefrierfächern. »Zwei Männer, eine Frau«, flüsterte er. William untersuchte schnell die Leichen. Sie waren frisch. Zwei waren einbalsamiert, eine nicht. William kannte sich mit Nekrophilie aus, die in Bestattungsunternehmen praktiziert wurde. Bei einer Einbalsamierung wurde das Blut aus den Venen geholt und dann eine Flüssigkeit auf Formaldehyd-Basis eingespritzt. Man steckte Schläuche, die mit Pumpen verbunden waren, in die Halsschlagader und Drosselader. Beim nächsten Schritt wurde die Flüssigkeit aus den inneren Organen abgepumpt. Danach war die Arbeit hauptsächlich kosmetisch. Die Kiefer der Toten wurden mit Draht verschlossen. Die Lippen mit einer Art Klebstoff zusammengefügt. Unter jedes Lid kam eine Augenkappe, damit die Augäpfel nicht im Schädel versanken.
William zeigte auf eine Zentrifuge, mit der man Blut und andere Flüssigkeiten aus der Leiche absaugte. Er lachte. » Die brauchen wir heute Abend nicht.«
Seine Sinne arbeiteten auf Hochtouren. Er fühlte sich überlebensgroß. Seine Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen, war hervorragend. Er trug die weibliche Leiche, die Anfang vierzig war, zu einem der Porzellantische.
William schaute seinem Bruder an und rieb sich wollüstig die Hände. Dann holte er tief Luft. Sie hatten früher schon Leichenhallen überfallen. Es war zwar kein Vergleich zu Frischfleisch, aber Beute war Beute.
Außerdem war die Tote für ihr Alter in recht guter körperlicher Verfassung. Verglichen mit der Frau, die sie in San Francisco ermordet und ausgesaugt hatten, war diese hier attraktiv. Auf dem Namensschild an ihrem Zeh stand: Diana Ginn . »Ich hoffe nur, dass nicht ein Bestatter Diana schon vor uns hatte«, meinte William zu seinem Bruder. Manchmal nahmen perverse Irre einen Job in einem Bestattungsunternehmen an, um sich mit den Leichen nach Lust und Laune zu vergnügen. Sie führten unnötige Untersuchungen an Vagina und Anus durch. Eine andere abartige sexuelle Praktik war, mit den Toten im Sarg Geschlechtsverkehr zu haben. Das kam öfter vor, als die Leute sich vorstellen konnten.
William war erregt. Nichts war mit dem hier vergleichbar. Er kletterte auf den Tisch und ging über der Frau in Position. Diana Ginns nackter Leichnam war aschfarben, aber im ge
dämpften Licht ziemlich hübsch. Ihre vollen Lippen waren blau. Er fragte sich, woran sie gestorben war, da sie nicht krank aussah. Es gab auch keine offensichtlichen Wunden. In einen Unfall war sie nicht verwickelt gewesen.
Vorsichtig zog William die Lider hoch und blickte ihr in die Augen. »Hallo, Süße. Du bist wunderschön, Diana«, flüsterte er verträumt. »Das ist keine billige Anmache. Ich meine es ernst. Du bist außergewöhnlich. Du bist es wert. Und Michael und ich werden uns deiner als würdig erweisen.«
Dann strich er ihr mit den Fingern über die Wangen, den langen Hals, die Brüste, die nicht prall waren, sondern eher Säkken mit Pudding glichen. Er studierte genau die zarten Linien ihrer Adern und Venen. So wunderschön. Vor Gier nach Diana Ginn wurde ihm fast schwindlig.
Während William über der Leiche kniete, streichelte sein Bruder die Knie und schlanken Fesseln der Frau, dann bewegte er die Hände langsam die langen Beine hinauf. Dabei stöhnte er leise, als wolle er sie aus dem Tiefschlaf wecken.
»Wir lieben dich«, flüsterte Michael. »Wir wissen, dass du uns hören kannst. Du bist doch noch in deinem Körper, richtig? Das wissen wir, Diana. Wir wissen genau, was du fühlst. Wir sind die Untoten.«
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I ch war weiterhin von der ungeheuren Disziplin und der harten Arbeit von Jamilla Hughes beeindruckt. Was trieb sie an? Etwas, das in ihrer Vergangenheit begraben war? Etwas aus der Gegenwart? Die Tatsache, dass sie eine der beiden weiblichen Polizisten in leitender Funktion bei der Mordkommission in San Francisco war? Vielleicht alle diese
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