Alex Cross 07 - Stunde der Rache
letzten Mal den Abhang runter – ich bin gerollt, dann aufgestanden und abgehauen, so schnell ich konnte.«
»Im ersten Bericht steht, dass Sie keinen der beiden sehr gut sehen konnten. Dann haben Sie behauptet, die Männer müssten so Mitte vierzig oder fünfzig gewesen sein«, sagte ich. Sie zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Es war Nebel. Ich hatte jedenfalls den Eindruck. Früher an dem Abend bin ich im Fang Club an West Pico gewesen. Der einzige Schuppen, wo man echte Vampire trifft und lebend wegkommt. Das wird jedenfalls behauptet. Damals bin ich in 'ne Menge Gothic Clubs gegangen: Stigmata, Coven Thirteen und Vampiricus, drüben in Long Beach. Ich habe bei Necromane gearbeitet. Und was ist Necromane?«, fragte sie, als sei das eine Frage, auf die wir eine Antwort erwarteten. Sie hatte Recht. »Necromane ist eine Boutique für Leute, die echt heiß auf Tote sind. Man kann da echte Menschenschädel kaufen, und Finger und Zehen. Sogar ein komplettes Skelett, wenn man auf so was geil ist.« »Bin ich nicht«, sagte Jamilla. »Aber ich war in so einem Laden in San Francisco. Der heißt Coroner.«
Die junge Frau schaute sie verächtlich an. »Na, da bin ich scheißbeeindruckt. Sie müssen wahnsinnig abgefuckt sein, echt an der Grenze leben.«
Wieder mischte ich mich ein. »Wir wollen Ihnen helfen. Wir …«
»So ein Scheiß!«, unterbrach sie mich. »Ihr wollt euch helfen. Ihr habt mal wieder einen Superfall. Diese abgefuckten Morde in San Francisco, richtig? Mann, ich kann lesen . Gloria Dos Santos und ihre Probleme sind euch doch scheißegal. Und ich habe jede Menge Probleme. Mehr als ihr wisst. Aber darum scheißt sich keiner was, richtig?«
»Im Golden Gate Park wurden zwei Menschen ermordet. Es war ein Massaker. Haben Sie das gelesen? Wir glauben, es könnten dieselben Männer gewesen sein, die Sie überfallen haben«, erklärte ich ihr.
»Ja, logisch! Und jetzt sage ich euch was. Hört genau zu! Die beiden Schweine, die mich überfallen haben, waren Vampire ! Mir ist schon klar, dass eure Hirne zu klein sind, um das zu raffen. Aber es gibt Vampire! Sie leben nicht in der normalen Welt der Menschen. Das heißt, sie sind nicht wie ihr. Zwei davon haben mich beinahe umgebracht. Sie haben in Beverly Hills gejagt. In L.A. bringen sie an jedem Tag Menschen um! Sie trinken ihr Blut. Das nennen sie sich stärken . Sie kauen die Knochen, als wären's Brathähnchen. Widerlich! Ich sehe schon, dass ihr mir nicht glaubt. Aber besser wär's, ihr würdet es glauben !«
Leise öffnete sich die Tür des Verhörzimmers. Ein uniformierter Polizist kam herein und flüsterte Detective Kim etwas ins Ohr.
Kim runzelte die Stirn, schaute uns an, dann Dos Santos. »Vor kurzem gab es einen Mord auf dem Sunset Boulevard. In einem der besseren Hotels wurde jemand gebissen und dann aufgehängt.«
Gloria Dos Santos' Gesicht verzerrte sich schrecklich. Ihre Augen wurden klein und wütend. Sie bekam einen Wutanfall und schrie: »Sie sind euch hierher gefolgt, ihr verfluchten Arschlöcher! Kapiert ihr das nicht? Sie sind euch gefolgt! O mein Gott, sie wissen jetzt, dass ich mit euch geredet habe. O Gott, jetzt kriegen sie mich! Ihr habt mich gerade ermordet!«
Zweiter Teil
Blutgier
22
M it Kyle Craig habe ich bei schwierigen Mordfällen immer gern zusammengearbeitet, deshalb war ich froh, dass er mich und Jamilla Hughes später in Los Angeles treffen wollte. Aber ich war verblüfft, Kyle bereits bei unserem Eintreffen am Tatort in Beverly Hills zu sehen. Man hatte die Leiche im Chateau Marmont aufgefunden, dem Hotel, in dem John Belushi eine Überdosis genommen hatte und gestorben war.
Das Hotel sah wie ein französisches Schloss aus und erhob sich sieben Stockwerke über den Sunset Strip. Als ich die Lobby betrat, fiel mir auf, dass alles authentisch wie in den Zwanziger fahren aussah, aber eher schäbig als antik. Angeblich soll ein Studio-Boss dem Schauspieler William Holden gesagt haben: »Wenn Sie unbedingt Ärger machen müssen, dann aber im Chateau Marmont.«
Kyle erwartete uns an der Tür des Hotelzimmers. Sein dunkles Haar war glatt nach hinten gestrichen. Außerdem schien er etwas Sonne abbekommen zu haben. Für Kyle war das ungewöhnlich. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt.
»Das ist Kyle Craig, FBI«, stellte ich ihn Jamilla vor. »Ehe ich Sie kennen gelernt habe, war er der beste Ermittler in Mordfällen, mit dem ich je zusammengearbeitet habe.« Kyle und Jamilla gaben einander die Hand. Dann folgten
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