Alex Cross 07 - Stunde der Rache
zu öffnen. Wer weiß? Vielleicht hatte er
Erfolg«, meinte Westin.
Er starrte mich eine Zeit lang an. »Ich möchte Ihnen noch etwas sagen, Detective Cross, und das ist die absolute Wahrheit. Ich glaube, es ist wichtig, dass Sie das verstehen. Für Vampire ist es ebenso wenig üblich, ein Psychopath oder Mörder zu sein, wie für irgendjemanden auf der Straße.«
Ich zuckte die Schultern. »Ich schätze, ich muss mal Ihre Forschungsstatistik zu diesem Punkt überprüfen. In der Zwischenzeit haben ein oder mehrere Vampire, echte oder Rollenspieler, mindestens ein Dutzend Menschen ermordet«, erklärte ich.
Westin schaute etwas traurig drein. »Ja, Detective, ich weiß. Deshalb habe ich mich auch bereit erklärt, mit Ihnen zu sprechen.«
Ich stellte ihm die letzte Frage: »Sind Sie ein Vampir?«
Peter Westin machte eine Pause, ehe er antwortete. »Ja, das bin ich«, erklärte er schließlich.
Die Worte trafen mich bis ins Mark. Der Mann meinte das vollkommen ernst.
28
A n diesem Abend in Santa Barbara hatte ich ein wenig mehr Angst vor der Dunkelheit als je zuvor. Ich saß in meinem Hotelzimmer und las den packenden Roman Waiting von Ha Jin. Zweimal rief ich zu Hause an. Ich war nicht sicher, ob ich mich einsam fühlte oder ob ich immer noch ein schlechtes Gewissen hatte, weil ich Damons Konzert verpasst hatte.
Oder vielleicht hatte mir Peter Westin mit seinen VampirGeschichten und Büchern und den unheimlichen dunklen Augen Angst eingejagt. Auf alle Fälle nahm ich Vampire jetzt, nachdem ich ihn kennen gelernt hatte, sehr viel ernster. Westin war ein seltsamer, unheimlicher, unvergesslicher Mann. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn wiedersehen oder zumindest noch mal mit ihm sprechen würde.
In jener Nacht verflüchtigten sich meine Ängste nicht, nicht einmal, als das helle Morgenlicht auf die Santa Ynez Mountains fiel. Irgendetwas Grauenvolles lief ab. Abartige Menschen gehörten dazu, vielleicht ein Underground-Kult. Wahrscheinlich hatte es mit der Vampir-Subkultur zu tun. Vielleicht aber auch nicht. Und dieser Gedanke verstörte mich noch mehr, denn das bedeutete, dass wir uns mit unseren Ermittlungen in einer totalen Grauzone befanden.
Gegen halb acht Uhr morgens glitt mein Mietwagen durch die Nebelsuppe in den morgendlichen Berufsverkehr. Ich sang einen kleinen Muddy-Waters-Blues, der genau meiner Stimmung entsprach.
Ich verließ Santa Barbara und fuhr in Richtung Fresno weiter. Dort wollte ich mich mit einem anderen »Experten« treffen.
Ich fuhr ein paar Stunden, und bei Santa Maria nahm ich die 166, dann ging es weiter nach Osten durch die Sierra Madres, bis ich endlich die Route 99 erreichte. Und jetzt in den Norden. Ich sah Kalifornien zum ersten Mal, und mir gefiel das meiste, was ich sah. An der Ostküste war die Topographie anders, ebenso die Farben.
Ich verfiel in einen gemütlichen Fahrrhythmus und hörte eine CD von Jill Scott. Während der langen Strecke dachte ich über die Art und Weise nach, in der die letzten Jahre meines Lebens verlaufen waren. Ich wusste, dass einige meiner Freunde sich meinetwegen Sorgen machten, sogar mein bester Freund, John Sampson, und ihn würde ich nicht als pathologisch besorgt bezeichnen. Sampson hatte mir mehr als einmal erklärt, dass ich mich zu sehr in Gefahr brächte. Sampson hatte sogar gemeint, dass es an der Zeit wäre, mir eine andere Stellung zu suchen. Ich wusste, dass ich zum FBI gehen konnte, aber das schien mir kein großer Karrierewechsel zu sein. Ich konnte natürlich auch wieder als Psychiater arbeiten – eine Praxis eröffnen oder lehren, vielleicht an der John-Hopkins-Universität, wo ich meinen Abschluss gemacht hatte und immer noch über gute Verbindungen verfügte.
Dann gab es noch Nana-Mamas alte Leier: Ich müsste unbedingt wieder eine Frau finden, die ich liebte und mit der ich zur Ruhe käme.
Ehrlich, das hatte ich wirklich versucht. Meine Frau Maria war in Washington von einem vorbeifahrenden Wagen aus erschossen worden. Der Mord wurde nie aufgeklärt. Das war geschehen, als Damon und Jannie noch klein gewesen waren. Ich schätze, darüber bin ich nie richtig hinweggekommen, und vielleicht würde mir das nie gelingen. Selbst jetzt zerriss es mir das Herz, wenn ich mir gestattete, über Maria nachzudenken und dem, was mit uns geschehen war. Wie gottverdammt sinnlos das alles gewesen war. Was für eine grauenvolle Verschwendung menschlichen Lebens. Dieser Mord hatte Damon und Jannie ohne Mutter zurückgelassen.
Ich hatte
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