Alex Cross 07 - Stunde der Rache
St.-Anthony's-Krankenhaus. Dort stellte man fest, dass ich Fieber hatte. Neununddreißig-fünf.
Der Arzt in der Notambulanz, der mich untersuchte, war ein hochgewachsener Pakistani. Er hieß Dr. Prahbu. Er hätte einer der Söhne aus dem Film East is East sein können. Er meinte, die Entzündung sei höchstwahrscheinlich durch eine Staphylokokkeninfektion entstanden, Bakterien, die man üblicherweise im Mund hatte.
»Wie kam es zu diesen Bissen?«, wollte er wissen. Ich vermutete, dass ihm meine Antwort nicht gefallen würde, aber ich sagte es trotzdem. »Ich habe einen Vampir gebändigt.« »Nein, ernsthaft, Detective Cross. Wie kam es zu diesen Bissen?«, fragte er nochmal. »Ich meine das ernst. Ich muss es wissen.«
»Ich meine es auch vollkommen ernst. Ich gehöre zu einer
Soko, die in Sachen Vampirmorden ermittelt. Ein Mann mit Fängen hat mich gebissen.« »Okay, fein, Detective. Wenn Sie es sagen.«
Man machte Tests mit mir in der Notaufnahme: ein Differentialblutbild, Sedimentrate. Ferner wurde eine Kultur mit Wundsekreten angelegt, sowie ein Fertignährboden zur Sensibilitätstestung von Bakterien gegen Antibiotika. Ich erklärte Dr. Prahbu, dass ich von den Ergebnissen Kopien brauchte. Das Krankenhaus wollte sie mir nicht aushändigen, willigte aber schließlich ein, die Resultate nach Quantico zu faxen.
Man schickte mich mit einem Rezept für das Medikament Keflex nach Hause. Ich sollte den infizierten Arm hochlagern und alle vier Stunden in Domeboro baden.
Als ich heimkam, war ich zu krank, um irgendetwas zu tun. Ich legte mich ins Bett und hörte mir im Radio »Elliot in the Morning« an. Nana und die Kinder umsorgten mich. Dann wurde mir furchtbar übel. Ich konnte nicht essen, ich konnte nicht schlafen oder mich auf irgendwas konzentrieren, außer auf das schmerzhafte Pochen in der Schulter und der Hand. Mehrere Stunden verbrachte ich im Delirium. Jetzt bist du einer von uns.
Letztendlich schlief ich ein, wachte aber um ein Uhr nachts wieder auf. Die Geisterstunde. Ich fühlte mich noch schlechter und hatte Angst, das Telefon könnte klingeln und das Superhirn könnte dran sein. Jemand befand sich mit mir im Schlafzimmer. Ich seufzte erleichtert, als ich sah, wer es war.
Jannie saß in dem Sessel neben meinem Bett und wachte über mich.
»Genau wie du, als ich letztes Jahr krank war«, sagte sie. »Schlaf jetzt, Daddy. Du musst schlafen. Du brauchst Ruhe. Und wage es ja nicht, dich in einen Vampir zu verwandeln.« Ich antwortete Jannie nicht. Ich brachte kein Wort heraus und versank wieder in Schlaf.
54
N iemand würde damit rechnen, und deshalb war es so gut, so großartig. Das Ende von Alex Cross.
Es war an der Zeit, vielleicht sogar überfällig. Cross musste sterben.
Superhirn war im Haus der Familie Cross. Es war eine derartig aufregende und außergewöhnliche Erfahrung, wie er sie sich vorgestellt hatte. Nie hatte er sich mächtiger gefühlt als jetzt, als er um drei Uhr morgens im dunklen Wohnzimmer stand. Er hatte den Zweikampf zwischen ihnen gewonnen. Superhirn hatte triumphiert. Cross war der Verlierer. Morgen würde ganz Washington seinen Tod betrauern. Er vermochte alles zu tun – was sollte er als Erstes tun? Zuerst wollte er sich hinsetzen und nachdenken. Eile war nicht nötig. Wohin sollte er sich setzen? Ja, selbstverständlich auf Cross' Klavierbank im Wintergarten. Alex Cross' Lieblingsplatz, um sich zu entspannen und dem Alltag zu entfliehen, wo er mit den Kindern spielte – dieser rührselige Dreckskerl!
Superhirn war versucht, etwas zu spielen, vielleicht ein bisschen Gershwin, um Cross zu beweisen, dass er der weit bessere Klavierspieler war. Er wollte sich in dramatischer Art und Weise ankündigen. Das hier war so gut, einfach köstlich. Er wollte, dass es nie endete.
Aber war heute wirklich der beste Zeitpunkt? Es musste eine Nacht sein, die er nie vergessen würde, etwas, das er für immer genießen konnte. Ein Souvenir, das für ihn große Bedeutung hatte, nur für ihn.
Es gab zwei Dreiecke, die seine komplizierte Beziehung zu Alex Cross erklärten. Während er im Wintergarten saß, stellte er sie sich vor, um sich die Zeit zu vertreiben. Was für ein Genuss. Mein Gott, er lächelte wie ein Idiot. Jetzt war er in seinem Element, und er war glücklich, so glücklich.
Er selbst
LIEBE
Schurke
(sein Bruder)
Vater
(Alex)
Er selbst
LIEBE
Alex' Frauen
(Großmutter, Freundinnen)
Sein Bruder
(Alex)
Es war ein hervorragendes psychologisches Modell, so
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