Alex Cross 07 - Stunde der Rache
waren wegen der Fenster immer noch vorsichtig, obwohl ich bezweifelte, dass Kyle noch da war. Superhirn war uns einen Schritt voraus. Das hätte ich wissen müssen, und in gewisser Weise hatte ich gewusst, dass er nicht das tat, was man von ihm erwartete.
Während der nächsten Stunden bemühten sich FBI-Agenten verzweifelt, Kyle Craig zu erreichen. Sie konnten ihn nicht finden, und das erschütterte sie. Langsam begannen sie meiner Geschichte, dass Kyle vielleicht hinter den Morden der letzten zwölf Jahre steckte, Glauben zu schenken. Kyle hatte den Agenten zu Jamillas Wohnung geschickt und ihm befohlen, einzubrechen. Er hatte dem Mann erzählt, jemand habe da
drinnen Alex Cross und Inspector Hughes ermordet.
Dann wurde die Sache richtig heiß.
Und ich schürte das Feuer.
101
U m halb acht Uhr morgens erhielt ich einen Anruf vom FBIDirektor in Washington, Ronald Burns. Er war vorsichtig und misstrauisch. Er würde mich nur dann anrufen, wenn er Beweise hatte, dass es mit Kyle ernste Probleme gab. Ich war immer noch verwirrt und verletzt, aber diese Gefühle waren angemessen und völlig normal. Kyle Craig war der Irre, nicht ich. »Sagen Sie mir alles, was Sie wissen, Sir«, sagte ich. »Ich weiß sehr viel über Kyle, aber Sie dürften um einiges mehr wissen. Weihen Sie mich ein. Es ist ungeheuer wichtig, dass ich alles weiß.«
Burns antwortete nicht sofort. Es gab eine lange Pause. Ich wusste, dass er ein Freund von Kyle war. Zumindest hatte er das geglaubt. So lange Zeit hatten wir uns beide geirrt. Jemand, dem wir vertraut hatten, hatte uns an der Nase herumgeführt und verraten.
Schließlich begann Burns zu sprechen. »Das geht wahrscheinlich bis zum Casanova-Fall zurück. Vielleicht noch weiter. Sie wissen, dass Kyle die ersten Jahre an der Duke University studiert hat. Er kannte Will Rudolph, den GentlemanKiller, aus den Studententagen dort. Während des Falls war Kyle vielleicht für den Tod einer Reporterin bei der L.A. Times verantwortlich. Sie war Will Rudolph auf die Schliche gekommen.«
Ich schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Ich hatte geholfen, diesen Fall zu lösen. Ich wusste, dass Kyle die Duke
University besucht hatte, aber nichts von seiner Beziehung zum Gentleman-Killer, der L.A. terrorisiert hatte. Ganz kurz hatte ich damals Kyle in Verdacht gehabt, aber seine Alibis waren wasserdicht. Selbstverständlich, wie hätte es auch anders sein können!
»Warum haben Sie mir nie etwas gesagt?«, fragte ich Bums. Ich bemühte mich, die Position des FBI zu verstehen. Allerdings gelang mir das nicht.
»Wir hatten Kyle eigentlich erst richtig im Verdacht nach dem Mord an Betsey Cavalierre. Aber auch damals hatten wir keinerlei Beweise. Wir waren nicht sicher, ob er ein mutmaßlicher Mörder oder der beste Agent im Büro war.«
»Herrgott, Ron, wir hätten doch mal drüber reden können. Das wäre dringend nötig gewesen. Jetzt ist er untergetaucht. Sie hätten mir Ihren Verdacht mitteilen müssen. Ich hoffe nur, dass Sie mir jetzt alles sagen.«
»Alex, Sie wissen jetzt alles, was wir wissen. Vielleicht sogar mehr. Ich hoffe, Sie sagen uns alles.«
Nach dem Gespräch mit Burns rief ich Sampson in Washington an. Ich teilte ihm die letzten Neuigkeiten mit. John bekam beinahe einen Tobsuchtsanfall. Er hatte Nana und die Kinder aus unserem Haus an der Fifth Street weggeschafft. Nur er und ich wussten, wo sie sich aufhielten.
»Bei dir alles okay?«, fragte ich. »Alle gut untergebracht?«
»Du machst wohl einen Witz, Alex. Nana ist so aufgebracht, wie ich sie noch nie erlebt habe. Wenn Kyle Craig sie angreifen würde, setze ich mein Geld auf Nana. Aber die Kinder nehmen es ganz ruhig auf. Sie haben keine Ahnung, was abläuft, aber sie vermuten, dass es nichts Gutes ist.«
Ich warnte ihn noch mal. »Lass sie keine Minute aus den Augen, keine Sekunde, John. Ich komme mit dem nächsten Flug zurück nach Washington. Ich habe keine Ahnung, ob Kyle euch dort aufspüren kann, aber unterschätze ihn nicht. Er läuft frei herum, und er ist extrem gefährlich. Aus irgendeinem
Grund will er mir etwas antun, und vielleicht auch meiner Familie. Wenn ich herausfinde, was der Grund ist, kann ich ihn vielleicht stoppen.«
»Und wenn nicht?«, fragte Sampson.
Ich ließ die Frage im Raum stehen.
102
I ch musste mich von Jamilla Hughes verabschieden. Wieder einmal. Und jedes Mal fiel es mir ein bisschen schwerer. In dieser kurzen Zeit hatten wir eine Menge gemeinsam durchgemacht. Ich ließ mir von
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