Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
mit Notarztteams im Hubschrauber mit Schwerverletzten in Spezialkliniken nach Newark und Philadelphia geflogen. Früher hatte sie sogar als Krankenschwester im Frontlazarett gearbeitet, in einer M.A.S.H.-Einheit.
Sie sprachen erst nach dem Abendessen über ihren Mann.
Sampson schnitt das Thema wieder an. Es war kühler geworden, und sie waren ins Wohnzimmer umgezogen. Billie zündete im Kamin ein Feuer an, das fröhlich knisterte und sie wärmte. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir noch mal ein paar Minuten über Laurence sprechen?«, fragte er, als sie auf der kleinen Couch beim Kamin saßen. »Wir müssen nicht, wenn Sie nicht wollen.«
»Nein, ist schon okay. Wirklich. Deshalb sind Sie ja gekommen.«
Plötzlich fiel Sampson etwas auf. Er erhob sich und ging zu der Vitrine neben dem Kamin, öffnete sie und holte eine Strohpuppe heraus.
Also das war sehr eigenartig. Er betrachtete die Puppe genau.
Er war sicher, dass sie eine Kopie der Puppe war, die er in Ellis Coopers Haus gesehen hatte. Sie machte ihm Angst, weil sie in Billie Houstons Haus war. Was tut diese Puppe hier?
»Was ist denn?«, fragte Billie. »Was soll diese unheimliche Puppe? Die habe ich noch nie zuvor gesehen. Stimmt etwas nicht? Sie machen plötzlich so ein ernstes Gesicht.«
»Ich habe die gleiche Puppe in Ellis Coopers Haus gesehen«, antwortete Sampson. »Sie stammt aus Vietnam. In den Dörfern dort habe ich viele solcher Puppen gesehen. Sie haben etwas mit bösen Geistern und den Toten zu tun. Diese Puppen sind schlechte Medizin.«
Billie kam zu ihm zur Vitrine. »Darf ich sie mal sehen?«
Sie untersuchte die Strohpuppe und schüttelte den Kopf.
»Sieht so aus, als hätte Laurence sie mit nach Hause gebracht. Ein Souvenir. Memento mori. Aber ich kann mich wirklich nicht erinnern, sie schon mal gesehen zu haben. Ist das nicht komisch. Da fällt mir übrigens noch was ein – neulich fand ich ein großes hässliches Auge in derselben Vitrine. Es sah so … böse aus, dass ich es weggeworfen habe.«
Sampson blickte ihr tief in die Augen. »Eigenartiger Zufall«, sagte er und schüttelte den Kopf. Dann dachte er daran, dass Alex sich strikt weigerte, an Zufälle zu glauben. »Soweit Sie sich erinnern, hat Ihr Mann nie Segeant Ellis Cooper erwähnt, richtig?«, fragte er.
Billie schüttelte den Kopf. Sie schien ein bisschen verschreckt zu sein. »Nein, aber er hat selten vom Krieg gesprochen. Es hat ihm drüben in Vietnam nicht gefallen, und er fand alles noch schrecklicher, als er heimgekommen war und Zeit hatte, über seine Kriegserlebnisse nachzudenken.«
»Das kann ich gut verstehen. Als ich zurück nach Washington, D.C., kam, war ich ein paar Monate in Fort Myer in Arlington stationiert. Eines Samstags bin ich in meiner grünen Ausgehuniform nach Hause gefahren. Als ich im Zentrum von Washington aus dem Bus stieg, kam ein weißes Mädchen in weiten Schlaghosen und Sandalen zu mir und hat auf meine Uniform gespuckt. Dann nannte sie mich einen Babymörder.
Das vergesse ich für den Rest meines Lebens nicht. Ich war so wütend, dass ich mich umgedreht habe und so schnell ich konnte weitergegangen bin. Dieses Hippie-Mädchen hatte keine Ahnung, was sich dort drüben abspielte, wie es ist, wenn man beschossen wird, Freunde verliert und für sein Vaterland kämpft.«
Billie faltete die Hände und wiegte sich auf den Ballen vor und zurück. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen über Laurence erzählen kann. Aber ich glaube, Sie hätten ihn gemocht. Alle mochten ihn. Er war verantwortungsvoll, ein guter Vater für unsere Kinder. Er war ein einfühlsamer liebevoller Ehemann.
Ehe er starb – ich spreche jetzt von zwanzig Minuten vor seiner Hinrichtung –, saßen wir noch im Gefängnis beisammen. Er blickte mir in die Augen und sagte: ›Ich habe diesen jungen Mann nicht umgebracht. Bitte, sorge dafür, dass unsere Kinder das wissen. Sorge dafür, Billie.‹«
»Ja, Ellis Cooper hat etwas Ähnliches gesagt«, meinte Sampson.
Es wurde still im Wohnzimmer. Ein bisschen ungemütlich fürs erste Mal. Schließlich war Sampson gezwungen, etwas zu sagen. »Ich bin froh, dass Sie angerufen haben, Billie. Es war für mich ein wunderbarer Abend. Vielen Dank, aber jetzt muss ich los. Es ist schon spät.«
Sie stand neben ihm, bewegte sich aber nicht. Sampson beugte sich hinab und küsste sie auf die Wange. Gott, war sie winzig.
»Sie denken doch, dass ich leicht zerbreche«, sagte sie, lächelte aber. »Ist schon gut.«
Sie begleitete ihn zum
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