Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
bewegt.
Ich hob mehrmals den Kopf, nur für eine Sekunde, und wagte einen Blick durch die Bäume.
Nicht ein Schatten bewegte sich im Wald. Aber ich wusste, dass sie da waren und auf mich warteten. Drei Profikiller der Armee. Geführt von Colonel Thomas Starkey.
Sie waren hier früher schon gewesen. Sie waren so geduldig wie der Tod.
Sie hatten unzählige Menschen getötet. In der Armee und außerhalb.
Ich dachte an etwas, das Sampson gesagt hatte, ehe er hinausgelaufen war, um den beiden Frauen zu helfen. Sobald wir sie sehen, schießen wir los. Keine Warnung, Alex. Keine Gefangenen. Kapierst du, was ich sage?
Ja, ich hatte es kapiert.
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Geduld.
Es war ein Spiel, in dem man warten musste, richtig? Zumindest heute Abend. Das hatte ich kapiert. Ich kannte sogar den Militärjargon für das, was ich als Nächstes tun musste.
EF. Entkommen und Flucht.
Ich studierte das Gelände hinter mir und sah, dass ich in den Graben hinunterrutschen konnte. Er würde mir Deckung geben, und ich könnte mich sowohl nach Osten oder Westen bewegen.
Ich könnte meine Position verändern, ohne dass sie es merkten.
Das würde mir einen kleinen Vorteil verschaffen.
Ich klammerte mich an jeden Strohhalm. Ich hatte das Gefühl, bereits ein toter Mann zu sein und sah keinen Ausweg.
Nur dieser Graben konnte mir noch eine Chance bieten.
Ich dachte an Starkey, Griffin und Harris. Wie gut sie waren.
Wie sehr ich sie zur Strecke bringen wollte, besonders Starkey.
Er war der Führer, der Kopf, der Grausamste der drei. Dann dachte ich wieder an Sampsons Worte: Keine Gefangenen.
Aber mit Sicherheit dachten die drei dasselbe.
Ich rutschte langsam nach hinten. Ich sage rutschen, aber eigentlich bohrte ich mich in das nasse Laub und die feuchte Erde.
Ich brachte den Graben hinter mich, ohne dass auf mich geschossen wurde. An den Beinen und der Brust hingen überall Heckenrosenranken. Ich war nicht sicher, aber ich glaubte, dass man mich vom Wald aus nicht sehen konnte. Jedenfalls hatte man mir noch keinen Kopfschuss verpasst. Bis jetzt nicht. Das war doch ein gutes Zeichen, oder? Eigentlich ein Sieg.
Ich kroch seitwärts weiter, immer mit dem Gesicht im Dreck und im Laub. Das Atmen fiel mir schwer. Ich kroch weiter, bis ich ungefähr zwanzig Meter von meiner ursprünglichen Position entfernt war. Ich wagte nicht, den Kopf zu heben und mich umzusehen, aber ich wusste, dass sich mein Winkel zur Hütte und dem Waldrand signifikant verändert hatte.
Konnten sie mich von irgendwoher aus der Nähe beobachten? Ich hielt das für unwahrscheinlich. Aber hatte ich Recht?
Ich lauschte.
Ich hörte keinen Zweig knacken, auch nicht, dass man Gebüsch beiseite schob. Nur das stete Pfeifen des Windes.
Ich presste das Ohr auf die Erde, bereit, alles zu tun, um einen Vorteil zu ergattern. Es half nichts.
Dann wartete ich noch länger.
Geduld.
Geschichten, die Sampson mir über die Rangers erzählt hatte, tauchten in meinem Kopf auf. Seltsame Fakten. Angeblich hatten sie für einen Ranger im Krieg fünfundfünfzig Vietcongs umgelegt. Jedenfalls erzählte man sich das. Und sie sorgten für die eigenen Leute. Im Vietnamkrieg war nur ein Ranger als vermisst gemeldet worden. Das Schicksal aller anderen war bekannt, bis auf den letzten Mann.
Vielleicht waren sie abgehauen, aus dem Wald geflohen.
Aber ich bezweifelte das. Warum sollten sie mich hier lebend zurücklassen? Sie würden das nie und nimmer tun … Starkey würde es nicht erlauben.
Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich Sampson zurückgelassen hatte. Aber ich durfte nicht darüber nachdenken. Ich konnte jetzt nicht an ihn denken. Nicht jetzt. Später. Falls es ein Später gab.
Sobald wir sie sehen, schießen wir.
Keine Warnung, Alex.
Kapierst du, was ich sage?
Ich kroch weiter. Meiner Meinung nach bewegte ich mich nach Nordosten. Pirschten sie sich auch näher an mich heran?
Ich hielt inne.
Neue Position.
Ich wartete noch ein wenig. Jede Minute kam mir wie zehn vor. Dann sah ich eine Bewegung. O Gott ! Es war eine Wildkatze, die ihren eigenen Kot fraß. Vielleicht zwanzig Meter weit entfernt. Sie kümmerte sich nicht um mich. Sie war in ihrer eigenen Welt.
Ich hörte jemanden kommen, und es war verflucht nahe.
Wie hatte er so nahe kommen können, ohne dass ich ihn hörte?
Scheiße, er war direkt bei mir.
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Hatte er mich auch gehört?
Wusste er, dass ich hier war, nur wenige Schritte entfernt?
Ich wagte nicht, zu atmen oder mit der Wimper zu zucken.
Er bewegte
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