Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
sich.
Ganz, ganz langsam, ein professioneller Soldat. Nein, ein Profikiller. Da bestand ein Riesenunterschied. Oder etwa nicht?
Ich rührte mich nicht von der Stelle.
Geduld.
Keine Gefangenen.
Er war ganz nahe – beinahe in dem Graben, in dem ich lag.
Er kam zu mir. Offenbar kannte er meine Position.
Wer von den dreien war es? Starkey? Griffin? Harris – dem ich beim Softballspiel ausgewichen war? Würde er mich jetzt töten? Oder würde ich ihn töten?
In weniger als einer Minute würde jemand sterben.
Wer würde es sein?
Wer war da über meinem Kopf?
Ich drehte mich so, dass ich ihn in der Sekunde sehen würde, in der er über die Kante kam. Würde er kommen? Wie funktionierten seine Instinkte? Er hatte sich schon früher so angeschlichen, ich nicht. Nicht im Wald. Und nicht in einem Kriegsgebiet.
Wieder bewegte er sich. Nur um eine Handbreit, dann noch eine.
Wohin, zum Teufel, wollte er? Jetzt war er genau über mir.
Ich beobachtete den unebenen Rand des Grabens und hielt den Atem an. Ich spürte, wie der Schweiß durch meine Haare floss und mir über den Rücken lief. Ein unglaublich kalter Schweiß. Wieder dröhnte es in meinen Ohren.
Jemand rollte über die Kante.
Brownley Harris. Seine Augen wurden groß, als er sah, dass ich auf ihn wartete. Meine Pistole zielte auf sein Gesicht.
Ich schoss nur ein Mal. Peng. Ein dunkles Loch war dort, wo gerade noch seine Nase gewesen war. Blut spritzte aus dem Zentrum seines Gesichts. Sein M-16 fiel ihm aus den Händen.
»Keine Warnung«, flüsterte ich und nahm das Gewehr. Waren die anderen dicht hinter ihm? Ich wartete auf sie. Noch nie war ich so bereit für eine Schießerei.
Sergeant Warren Griffin.
Colonel Thomas Starkey
Der Wald war unheimlich. Tiefe Stille. Im Schutz der Dunkelheit huschte ich davon.
99
Ein Dreiviertelmond stand am Himmel. Das war gut, aber auch schlecht. Ich war sicher, dass sie mich jetzt suchen würden.
Aber war meine Logik auch die ihre?
Ich war zurück im Wald in der Nähe meiner Ausgangsposition, zumindest glaubte ich das.
Dann war ich sicher .
Tränen füllten meine Augen. Ich konnte nichts dagegen tun.
Dort lag Sampson, wo man ihn erschossen hatte, reglos. Im Mondlicht sah ich die Leiche ganz deutlich. Ich begann am ganzen Leib zu zittern. Das, was geschehen war, traf mich mit voller Wucht. Ich wischte mir über die Augen. Eine Faust schien mein Herz zusammenzudrücken und nicht mehr loszulassen.
Ich sah auch die toten Frauen auf der staubigen Straße liegen.
Fliegen summten um die Leichen. Auf einem Baum in der Nähe schrie eine Eule. Mich schauderte. Vielleicht würde am Morgen ein Habicht oder ein Truthahngeier kommen, um von den Leichen zu fressen.
Ich streifte die Nachtbrille über, die ich mitgebracht hatte, und hoffte, sie würde mir einen kleinen Vorteil verschaffen.
Vielleicht aber auch nicht, wahrscheinlich nicht. Starkey und Griffin hatten mit Sicherheit auch die beste Ausrüstung. Sie arbeiteten schließlich für eine Firma, die Hightech-Geräte herstellte.
Immer wieder rief ich mir ins Gedächtnis zurück, dass ich Brownley Harris ausgeschaltet hatte. Das verlieh mir Selbstvertrauen. Er hatte total überrascht gewirkt, als er mich gesehen hatte. Jetzt war er tot, seine Arroganz verflogen, in einem Sekundenbruchteil durch eine Kugel.
Aber wie konnte ich Starkey und Griffin überraschen? Sie mussten den Schuss gehört haben. Vielleicht glaubten sie, er sei von Harris gekommen. Nein, sie mussten wissen, dass er tot war.
Einige Minuten erwog ich, einfach wegzurennen. Vielleicht erreichte ich die Straße. Aber ich bezweifelte es. Es war wahrscheinlicher, dass ich erschossen würde.
Darin waren sie gut, aber Harris war ebenfalls gut gewesen.
Auch er hatte Erfahrung, trotzdem lag er jetzt tot im Graben, und ich hielt sein Gewehr in den Händen.
Geduld. Warte auf sie. Sie haben auch Fragen und Zweifel.
Ich betrachtete mehrere Sekunden lang Sampsons Leiche, dann musste ich mich abwenden. Ich konnte jetzt nicht an ihn denken. Ich durfte es nicht, denn sonst würde ich ebenfalls sterben.
Ich hörte es nicht kommen – eine plötzliche ohrenbetäubende Gewehrsalve. Einer oder beide waren zwischen mich und die Hütte vorgedrungen. Ich wirbelte in Richtung Schüsse herum.
Dann durchdrang eine Stimme die Dunkelheit.
Dicht hinter mir.
»Leg das Gewehr weg, Cross. Ich will dich nicht töten. Noch nicht.«
Warren Griffin war bei mir im Graben. Jetzt sah ich ihn. Er zielte mit seinem Gewehr direkt auf
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