Alex Cross - Cold
entdecken. Da war er sich sicher.
Aufnahme.
»Ich habe mehr als zwei Jahre lang intensiv über diese Verzweiflungstat nachgedacht. Die Planung hat vierzehn Monate in Anspruch genommen. Ich bin fest überzeugt, dass ich meine Spuren gut verwischt habe. Je mehr ich mich mit den einzelnen Details befasse, desto zuversichtlicher bin ich, dass dies als einer der großen ungelösten Fälle in die Geschichte eingehen wird.«
Dann klingelte die Schulglocke, Mittagspause!
Er steckte das Diktiergerät in die Hosentasche und beschloss, ein bisschen über das Schulgelände zu schlendern, sich unter die immer noch nervösen Schüler und Lehrer zu mischen, aber auch unter die Bullen, die immer noch unermüdlich damit beschäftigt waren, irgendwelche sinnloser Befragungen durchzuführen. Sprecht doch mit mir, nur mit mir, musste er unwillkürlich denken.
Während er also über den Schulhof flanierte, bemerkte er einen groß gewachsenen Detective aus dem MPD, eine auffällige Gestalt, einen Mann, dem sein Selbstbewusstsein deutlich anzusehen war. Den kannte er. Er hatte schon gelesen, dass er in die Ermittlungen mit eingebunden werden sollte. Dieser Detective hatte eine Erfolgsquote, die durchaus Anlass zur Besorgnis gab.
Der Entführer schaltete das Diktiergerät nicht wieder ein, auch wenn seine Finger leise darüber strichen. Aber trotzdem startete er eine Aufnahme, in seinem Kopf.
Aufnahme.
»Einer der ermittelnden MPD-Detectives hat vor Jahren eine aufsehenerregende Entführung aufgeklärt. Wenn ich wirklich so gründlich bin, wie ich zu sein glaube, dann muss ich gestehen, dass er eine Gefahr für alles, was ich getan habe, für alles, was ich erreicht habe, für den gesamten Plan und das, was ich mir davon erhoffe, darstellen könnte. Das spüre ich ganz deutlich, am ganzen Körper. Er ist anders als die anderen, genau wie ich anders bin als meine Mitmenschen. Ich glaube, ich weiß, was ich jetzt tun müsste... Aber kann ich das? Kann ich Alex Cross töten ? Es wäre auf jeden Fall das Richtige.«
42
Nur wenige Meter von der nordwestlichen Ecke der Kreuzung von Sixth Street und P-Street entfernt stand ein unauffälliger
weißer Lieferwagen am Straßenrand. Die Aluminiumleiter und das PVC-Rohr auf dem Dach dienten als Tarnung für ein Belüftungsgitter, hinter dem sich wiederum eine Sechs Millimeter-Linse verbarg, die Bilder von der Moschee auf der gegenüberliegenden Straßenseite lieferte.
FBl-Agentin Cheryl Kravetz hatte Dienst am Periskop. Mit der rechten Hand bewegte sie den Joystick und stellte die Doppeltür am Haupteingang der Masjid Al-Quasim scharf. Das Morgengebet war gerade zu Ende, und die Besucher verließen die Moschee.
Schnell füllte sich der Bürgersteig. Es waren sehr viel mehr Männer als Frauen. Thoben und Scheitelkappen waren ebenso vertreten wie Abercrombie-T-Shirts und Turnschuhe. Vereinzelt waren aber auch Familien und etliche Paare zu sehen. Vor allem ihnen galt Kravetz’ Interesse.
»Geht es eigentlich nur mir so?«, fragte sie. »Oder ist diese ganze Aktion hier wirklich irgendwie...«
»Unbefristet?«
Ihr Partner, Howard Green, hielt den Blick auf die Bildschirmkonsole gerichtet, wo fünf kleine und zwei größere Monitore Bilder aus verschiedenen Überwachungskameras zeigten. Auf einem der großen Monitore war die Kreuzung zu erkennen. Das Bild stammte aus einer Kamera der Verkehrsbehörde, die auf der Ampel vor dem Lieferwagen angebracht war. Kravetz konzentrierte sich gerade auf den anderen Monitor.
»Eigentlich wollte ich ›rassistisch‹ sagen«, fuhr sie fort.
»Fängst du schon wieder damit an?«
»Ich meine, jetzt mal im Ernst. Wir haben doch keine Ahnung, was wir hier suchen. ›Verdächtige Muslime?‹« Kravetz nahm die Hand vom Joystick und malte imaginäre Anführungszeichen in die Luft. »Ich weiß nicht einmal, wer von denen da Saudis sind, oder ob das überhaupt eine Rolle spielt.«
»Kein Mensch hat was von »verdächtigen Muslimen‹ gesagt«, entgegnete Green.
»War auch gar nicht nötig«, meinte Kravetz. »Wir wissen doch genau, was sie von uns wollen. Die braunen Gesichter scannen, mal sehen, was dabei rauskommt. Damit wir das Gefühl haben, wir würden etwas Sinnvolles machen.«
»Wir machen etwas Sinnvolles«, erwiderte Green. »Wie stellst du dir das eigentlich vor? Willst du vielleicht lieber rumsitzen und warten, bis noch mehr Amerikaner sterben müssen? Denn eins steht jedenfalls fest: Die miesen Typen, die uns an den Kragen wollen, liegen
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