Alex Cross - Cold
Ministerium für Heimatschutz und Innere Sicherheit die bisherige Alarmstufe Orange für Washingtons öffentliches Transportsystem noch einmal erhöht und die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen: Alarmstufe Rot. Sämtliche U-Bahnen, Busse und Nahverkehrszüge mussten bis auf Weiteres in ihren Depots bleiben.
Seit Einführung des Frühwarnsystems nach den Anschlägen vom 11. September war das bisher erst ein einziges Mal vorgekommen. Die Zeiten, wo sich die Einwohner der Stadt noch irgendwie hätten beschwichtigen lassen, waren jedenfalls Vergangenheit.
In regelmäßigen Abständen erreichten uns Berichte, wonach sie bereits anfingen, scharenweise die Stadt zu verlassen.
Mittlerweile wurde die Geschichte auch landesweit auf allen Kanälen gesendet. Auf mehreren Bildschirmen im Kommandozentrum lief CNN. Dort wurde ausschließlich über die Schüsse beim U-Bahn-Depot und die Stilllegung des öffentlichen Nahverkehrs berichtet. Ein Hubschrauber übertrug ein Live-Bild vom U-Bahn-Depot, das von Fernsehteams nur so wimmelte.
Beamte des Bombenentschärfungskommandos waren zu sehen, wie sie mit ihren schweren, sperrigen Schutzanzügen von einem U-Bahn-Waggon zum nächsten gingen. Es sah aus wie eine Szene aus dem Film Tödliches Kommando. Genau die Art von Bildern, die Regisseure von Nachrichtensendungen lieben und Polizisten hassen.
Ich setzte mich neben Javier Crist, einen MPD-Sergeant, der Vollzeit im LX1 arbeitete. Einer der Bildschirme an seinem Arbeitsplatz war direkt mit der Notrufzentrale verbunden und zeigte sämtliche Notrufe an, die eingingen. Unser Job war es, möglichst viele Anrufe entgegenzunehmen, möglichst konkrete Informationen zu sammeln, den anderen im Raum zu berichten und gleichzeitig möglichst regelmäßig alle die Hinweise an das MPD weiterzuleiten, denen nachgegangen werden musste.
»Willkommen in der Hölle«, konnte Crist gerade noch sagen, bevor er den nächsten Anrufer in der Leitung hatte.
Das war meine Einführung. Mein eigenes Telefon klingelte bereits.
Ich streifte mir ein Headset über und machte mich unverzüglich an die Arbeit. Es war zwar nicht das, was ich mir erhofft hatte, aber immerhin war es etwas. Ich gehörte jetzt zum inneren Kreis.
44
Bree Cross lag im Bett und las. Es war zwei Uhr nachmittags. Da klingelte es an der Tür. Nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder.
Da musste etwas passiert sein.
Aber wenn nicht, dann würde sie jemandem gehörig die Meinung geigen, sobald sie die Haustür aufgemacht hatte.
Sie sprang auf und ließ ihr Buch aufs Bett fallen. Der Titel lautete Du und deine Stiefkinder. Eigentlich hätte sie dringend noch ein paar Stunden Schlaf gebraucht, bevor ihre Nachtschicht anfing, aber das war die Gelegenheit, heimlich ein paar Kapitel weiterzukommen, ohne dass es jemand sah, vor allem nicht Alex. Er würde zwar bestimmt halbwegs verständnisvoll reagieren, aber zumindest ein kurzes Schnauben hätte er garantiert nicht unterdrücken können.
»Ich komme!«, rief Bree vom oberen Treppenrand. Es klingelte immer noch. Durch die Milchglasscheibe konnte sie zwei Schatten vor der Haustür stehen sehen. Der eine war einen guten Kopf größer als der andere. Was hatte das zu bedeuten?
Als sie den Riegel aufgeschoben und die Tür aufgerissen hatte, stand Nana vor ihr. Neben ihr ein Mann, den Bree noch nie gesehen hatte. Der Mann hatte den Arm um Nanas Hüfte gelegt, während sie ein Taschentuch mit roten Flecken auf die Stirn drückte. Ihr linkes Knie blutete auch.
»O mein Gott! Was ist denn passiert?«
»Mein Hausschlüssel ist in meiner Handtasche«, sagte Nana und ihre Handtasche war weit und breit nicht zu sehen.
»Irgend so ein Strolch hat sie niedergeschlagen«, sagte der Mann. Der Ärmel seiner Kakijacke war blutverschmiert. »Ich bin zu spät gekommen. Leider habe ich nichts gesehen. Tut mir leid.«
»Ganz, ganz herzlichen Dank«, sagte Nana, während er sie in Brees Obhut übergab. »Sie sind ein wahrer Gentleman. Und vergessen Sie nicht, mir die Rechnung für die Reinigung zu schicken. Ich bestehe darauf!«
Doch sobald der Mann sich verabschiedet hatte, zog sie eine Grimasse. Bree half ihr behutsam auf den alten Rohrstuhl im Flur, um sich die Verletzungen anzusehen. Die Stirnwunde war nicht besonders tief, aber das aufgeschürfte Knie sah ziemlich schlimm aus.
»Gott verdammt noch mal! Wer macht denn so was?« Bree schnaubte.
»Du musst nicht gleich unflätig werden. Das wird schon wieder«, sagte Nana. »Ich werd’s
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