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Alex Cross - Cold

Titel: Alex Cross - Cold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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denken, die im Verlauf der letzten zweihundert Jahre durch diese Flure geschritten waren, angefangen bei John Adams bis heute.
    Ich glaube, das, was ich empfand, lässt sich am ehesten mit dem Begriff Ehrfurcht umschreiben.
    Der Flur wurde schmaler und mündete in einen bogenförmigen Durchgang, der in einem sonnendurchfluteten Wohnzimmer endete.
    Dort saß Mrs. Coyle, zusammen mit zwei Assistentinnen. Zu meiner Rechten befand sich das Lincoln-Schlafzimmer. Das alles fühlte sich beinahe surreal an. Ich war ganz eindeutig im inneren Kreis angekommen.
    Die Büroleiterin der First Lady fing an, uns vorzustellen. »Mrs. Coyle, darf ich Ihnen...«
    »Detective Cross. Aber natürlich.«
    Regina Coyle trat auf mich zu und reichte mir die Hand. Ihre Augen waren gerötet. Sie hatte geweint. Wahrscheinlich erst vor Kurzem.
    »Vielen herzlichen Dank, dass Sie gekommen sind«, sagte sie. »Ich hoffe sehr, dass Sie mir helfen können.«

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    »Mrs. Coyle, das alles tut mir schrecklich leid«, sagte ich. »Ich werde tun, was ich kann.«
    Sie bedeutete mir einzutreten, während alle anderen still und leise den Weg zurückgingen, den ich gekommen war. Wenige Sekunden später waren die First Lady und ich alleine, so alleine, wie man es in diesem Haus eben sein konnte, selbst hier oben im privaten Teil.
    Sie setzte sich auf eine lang gezogene Couch mit Blick auf das Finanzministerium. Ich schnappte mir einen der, gelb in der Farbe der Wände und Vorhänge, gepolsterten Stühle, während sie mir eine Tasse Kaffee aus dem Porzellanservice des Weißen Hauses eingoss.
    »Sie verfügen über gewisse Erfahrungen im Zusammenhang mit Entführungen, nicht wahr?«, fing sie an. »Der Fall Gary Soneji, zum Beispiel, aber auch andere?«
    »Das ist richtig, Madam. Seit Soneji waren es noch drei große Fälle. Das ist zwar nicht mein Spezialgebiet...«
    »Aber Sie sind gut«, fiel sie mir ins Wort. Es war keine Frage, aber sie wartete trotzdem auf meine Antwort.
    »Der beste Lehrmeister ist vermutlich die Erfahrung«, erwiderte ich. »Darum, ja, ich bin ziemlich gut.«
    Mrs. Coyle nickte, dann senkte sie den Blick. Es kam mir vor, als würde sie sich sammeln.
    Sie war eine vergleichsweise stille First Lady. Eher eine Laura Bush als eine Hillary Clinton. Sie und ihr Mann stammten aus Farmersfamilien in Minnesota, und ich glaube nicht, dass sie die große öffentliche Aufmerksamkeit, die ihre Position mit sich brachte, jemals besonders genossen hat.
    Als sie schließlich den Kopf hob, war ihr Blick ruhig. Sie wirkte konzentrierter als zuvor. Mir wurde klar, dass sie die gleiche innere Stärke besaß wie ihr Mann.
    »Ich weiß, dass von all den Menschen, die mit der Suche nach Ethan und Zoe beschäftigt sind, kaum jemand mehr damit rechnet, dass sie lebendig gefunden werden«, sagte sie unvermittelt. Es klang völlig emotionslos. Sachlich. »Ich kenne die Statistiken.«
    »Das stimmt, Madam«, erwiderte ich. »Aber ich hoffe, Sie wissen auch, dass Sie einige der besten Experten der Welt an Ihrer Seite haben. Und zwar seit dem ersten Tag.«
    »Natürlich.« Sie verfiel erneut in Schweigen. Offensichtlich hatte sie noch etwas anderes auf dem Herzen. Ich ließ mich von meinem Instinkt leiten und wartete still ab, bis sie so weit war.
    Dann sagte sie: »Ihr Sohn war auch mehrere Monate lang entführt, nicht wahr? Kurz nach seiner Geburt?«
    Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Mrs. Coyle hatte ihre Hausaufgaben gemacht, sogar ein bisschen mehr als das. Es stimmte. Alis Mutter, Christine, war entführt worden, während sie schwanger gewesen war. Die Erinnerung versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Christine und ich hatten uns von diesem Vorfall und dem daraus folgenden Trauma nie wieder erholt.
    Ich nickte. »Das war das schlimmste Jahr meines Lebens. Für Alis Mutter auch.«
    »Und wie geht es Ihrem Jungen heute?«, erkundigte sie sich.
    »Er macht sich großartig. Wird jeden Tag ein Stückchen größer. Ich bin sehr stolz auf ihn.«
    »Dann können Sie mich verstehen«, sagte sie. Auf ihrem Gesicht zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. Eigentlich kaum mehr als eine leichte Entspannung der Augenwinkel.
    Und natürlich konnte ich sie jetzt verstehen. Wenn ich es geschafft hatte, meinen wundervollen Sohn wieder zurückzubekommen, dann konnte sie es doch auch schaffen. Dann konnte auch sie Ethan und Zoe irgendwie wieder zurückbekommen.
    Mrs. Coyle sprach weiter. Sie schien ihre Worte sehr sorgfältig abzuwägen. »Detective Cross,

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