Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
darüber verloren. Es ist auch vollkommen irrelevant, weil mir Elise nichts bedeutet hat, und ich bin mir sicher, dass es ihr umgekehrt genauso ging.«
Er schaute uns an. »Ich habe ihr nichts bedeutet. Das hat sie mir unmissverständlich klargemacht.«
»Wie hat sie das getan, Jim?«
»Als sie fertig war, hat sie sich den Mund abgewischt, gelacht und gesagt: ›Mach keine große Sache draus, Jimmy. Mir war einfach danach.‹«
»So eine Haltung kann einen wütend machen.«
»Ich war nur wütend auf mich selbst. Ich war immer stolz darauf, treu zu sein, und bis dahin war ich es auch. Ich habe mich wie ein absolutes Arschloch verhalten, dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich verstehe immer noch nicht, wie es dazu kommen konnte, aber ich habe ihr bestimmt nicht nachgestellt. Ganz im Gegenteil, ich wollte nichts mit ihr zu tun haben.«
»Sie hat Sie überrumpelt, Jim.«
»Genau. Wie ein Arschloch habe ich mich trotzdem verhalten. Das mag sich nach dem Gerede einer Frau anhören, aber ich habe mich nach diesem Vorfall schmutzig gefühlt.«
»Sich beschmutzt zu fühlen könnte einen rasend machen.«
»Ich habe Sie nicht getötet !« Winterthorn schlug an die Glastür und schaukelte auf den Fußballen. »Verdammt noch mal!«
»Warum setzen Sie sich nicht wieder, Jim?«
»Ich bleibe lieber stehen.«
»Ich würde von Ihnen gern erfahren, wo Sie während einer bestimmten Zeitspanne waren.«
Er umriss den Zeitrahmen des Mordtages.
»Ich war bei – nein, ich war nicht bei Emily, Gott sei Dank. Ich war bei meiner Mutter. Sie hat sich nicht wohl gefühlt, und mein Vater war auf einer Konferenz, deshalb bin ich zu ihr gefahren, um ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten.« Er schaute uns an. »Es gibt doch keinen Grund, Emily in diese Sache hineinzuziehen, oder?«
»Hoffentlich nicht, Jim.«
»Bitte . Ich hatte nichts mit Elises Tod zu tun.«
»Obwohl Sie sich ihretwegen schäbig vorgekommen sind?«
»Das war ein einmaliger Ausrutscher«, sagte Winterthorn. »Ich habe mit der Sache abgeschlossen.«
»Viele Männer würden sich gern an so etwas erinnern.«
»Ich bin nicht wie viele Männer.«
»Mag sein.«
»Deswegen bin ich noch lange kein Mörder.«
»Kommen wir noch mal kurz auf den Vorfall zu sprechen«, sagte Milo. »Sie sagen, Elise hat sich an Sie rangemacht, sie hingegen stellt es als andauernde sexuelle Belästigung dar.«
»Das ist verrückt, ich habe keine Ahnung, warum sie das sagt. Warum ausgerechnet ich?«
»Wer denn sonst?«
Winterthorn wandte den Blick ab. »So meine ich das nicht.«
»Wie haben Sie es denn gemeint, Jim?«
Winterthorn sackte in sich zusammen. »Das ist verrückt, völlig verrückt. Dr. Helfgott holt mich aus dem Unterricht, und jetzt werde ich verhört wie ein Verbrecher.«
»Vernommen«, sagte Milo.
»Mir kommt es wie ein Verhör vor. Schlimmer noch – ich fühle mich eingeschüchtert. Wie in Guantánamo.«
»Wie sind Sie und Elise nach dem ›Ausrutscher‹ miteinander klargekommen?«
»Ich bin ihr aus dem Weg gegangen.«
»Sie hat Sie nervös gemacht.«
»Vielleicht hat sie deswegen diese verrückten Anschuldigungen vorgebracht. Weil sie sich zurückgewiesen vorkam.«
»Hat sie sich noch mal an Sie rangemacht und Sie haben ihr eine Abfuhr erteilt?«
»Nein, nein, ich habe jeden Blickkontakt vermieden, sie hatte gar nicht die Gelegenheit dazu. Vielleicht habe ich sie verärgert, ich weiß es nicht. Was blieb mir sonst anderes übrig?«
»Dass Naturwissenschaftler nicht mit Englischlehrern verkehren, hat es Ihnen erleichtert«, sagte Milo. »Aber Sie müssen ihr doch bei den üblichen beruflichen Ritualen über den Weg gelaufen sein.«
»Was meinen Sie damit?«
»Nörgelrunden im Lehrerzimmer.«
Winterthorns Lachen war kurz und eine Spur zu nachdrücklich. Als wäre er dankbar dafür, einmal nichts befürchten zu müssen. »An der Windsor gibt es keine Nörgelrunden. Sie werden als ungehörig betrachtet.«
»Das klingt, als würde es von Dr. Helfgott stammen«, sagte Milo.
»Es ist tatsächlich eines seiner Lieblingsadjektive.«
»Ungehörig«, sagte Milo. »Vermutlich kann man das auch im Zusammenhang mit Mord verwenden.«
»Das würde Dr. Helfgott als abscheulich bezeichnen.«
»Okay, Jim, ich brauche Telefonnummer und Adresse Ihrer Mutter.«
Winterthorns Augen flackerten. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Sie ist Ihr Alibi, Jim.«
»Brauche ich ein Alibi ?«
»Jim, betrachten Sie die Sache einmal nüchtern. Eine Frau bezichtigt Sie der
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