Alex Delaware 25 - Tödliche Lektion
Einzelheiten zu sprechen gekommen, Ms. Stuehr. War Elise zufällig bei dem Absolvententreffen?«
»Das bezweifle ich.«
»Wissen Sie es nicht genau?«
»Wenn Sie damit dezent fragen wollen, ob Elise und ich einander nahestanden, lautet die Antwort: ganz im Gegenteil. Trotzdem bin ich wegen ihres Todes fix und fertig. Musste sie leiden?«
»Nein«, sagte Milo. »Wie oft haben Sie einander gesehen?«
»Selten bis nie«, erwiderte Sandra Stuehr. »Nicht einmal, nachdem ich nach Kalifornien gezogen bin – vor zweieinhalb Jahren. Nicht dass ich es meinerseits nicht versucht hätte. Ich bin nach L.A. gefahren, um mit ihr zu Mittag zu essen. Es war nett, aber nicht herzlich, und hinterher haben wir beide gelogen, als wir sagten, wir würden in Kontakt bleiben. Elise hat mich nicht einmal zu sich eingeladen. Ich habe ihr Haus nie gesehen.«
»Sie standen einander also nie nahe?«, fragte ich.
»Elise hat mich schon immer abgelehnt, und ich hatte es satt, mir ihre Anerkennung zu verdienen. Trotzdem hat mich ihr Tod erschüttert. Haben Sie irgendeine Ahnung, wer so etwas Schreckliches getan haben könnte?«
Milo schüttelte den Kopf. »Deswegen sind wir hier.«
»Tja, ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Stichhaltiges mitteilen, Lieutenant, aber die traurige Wahrheit ist, dass meine Schwester und ich uns praktisch von Geburt an fremd geblieben sind.«
»Warum hat sie Sie abgelehnt?«, fragte ich.
Statt zu antworten sagte sie: »Ich hatte immer das Gefühl, dass da eine Wand ist – es hätte eine Barriere zwischen uns sein können. Als wir Teenager waren, wurde daraus offene Feindseligkeit, und letzten Endes konnten wir einander kaum noch ertragen. Als jüngere Schwester habe ich gedacht, es wäre meine Schuld, ich hätte irgendetwas getan, das sie gegen mich aufbrachte. Irgendwann wurde mir dann klar, dass sie mich einfach hasste für das, was ich war.« Sie stockte. »Das bevorzugte Kind.« Ihre Wimpern flatterten, dann runzelte sie kurz die Stirn. »Was in meiner Familie so viel bedeutete wie das Kind, das überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde.«
»Auf die Zuwendung der Eltern wurde kein großer Wert gelegt.«
Sie winkte ab. »Wie schon gesagt, sich in Erinnerungen zu ergehen ist etwas für Versager.«
»Ihre Eltern …«
»Wir hatten praktisch nur einen Elternteil: unseren Vater. Mutter war ein Nichts, ein bloßer Putzlappen. Sie stammte aus einer armen Familie und hatte nicht einmal einen richtigen Schulabschluss. Dadurch konnte Vater ihr einreden, er würde ihr eine große Gunst erweisen, indem er sich dazu herablässt, sie zu heiraten. Ich habe immer vermutet, dass sie nur geheiratet haben, weil er sie mit Elise geschwängert hatte.«
»Hatte seine Familie einen guten Ruf?«
»Sie war nicht reich, aber hochgebildet. Sein Vater war Physikprofessor an der Johns Hopkins, seine Mutter gab Violinenunterricht. Mutter war anfangs sicher beeindruckt.« Ein spitzes Lachen. »Sie starb, als ich drei war und Elise fünf, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Erinnerungen, die ich an sie habe, stimmen. Alle drehen sich um die ewige Plackerei – sie war ständig auf den Knien und hat irgendetwas geschrubbt, als wäre sie das Dienstmädchen. In gewissem Sinne war sie das wohl auch, denn wir hatten nie eine Haushaltshilfe.«
»Und nach ihrem Tod fingen die Probleme an«, sagte ich.
Ihr Mund verkrampfte sich. »Worauf wollen Sie hinaus?«
»Auf unerwünschte Zuneigung vonseiten der Eltern.«
Ihre Tasse kippelte. Sie hielt sie mit beiden Händen, bis sie nicht mehr zitterte, und fuhr sich dann mit einem Finger unter die Ponyfransen. »Ich habe hart daran gearbeitet, um damit klarzukommen, deshalb kann ich offen darüber reden. Aber ich sehe da keinen Zusammenhang mit dem, was meiner Schwester passiert ist.«
»Alles, was uns hilft, Elise zu verstehen, bringt uns weiter.«
Wieder wickelte sie eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Sie nahm eine Kaurimuschel, knetete sie und legte sie wieder hin. »Er war ein Monster. Er hat Elise zutiefst verletzt, und das hat uns beide daran gehindert, richtige Schwestern zu werden. Was umso bedauerlicher ist, weil Elise und ich so viele Gemeinsamkeiten hatten. Wir mochten die gleiche Musik, hatten dieselben Lieblingsfächer in der Schule und wurden beide Lehrerinnen. Auch wenn ich nie arbeiten musste. Wir hätten ein fantastisches Verhältnis zueinander haben können, wenn dieser Mistkerl nicht alles verdorben hätte.«
Ungehalten stellte sie ihre Tasse
Weitere Kostenlose Bücher