Alex Rider 08: Crocodile Tears
kannst du selber ausrechnen!«
McCain schwieg und blickte abwesend vor sich hin.
»Millionen und Abermillionen Pfund, Dollar und Euro«, murmelte er gedankenverloren. »Und wenn das Geld so schnell und in so großen Summen hereinkommt, verliert man leicht den Überblick. Ein normales Unternehmen hat dafür eine Buchhaltung. Aber eine Wohltätigkeitsorganisation arbeitet in vielen Ländern und oft unter chaotischen Bedingungen. Das macht eine geordnete Buchhaltung schwer bis unmöglich.«
»Sie sind also im Grunde nur ein Dieb«, sagte Alex. Er durfte McCain nicht über Gebühr reizen, doch er konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn zu provozieren. »Sie wollen einfach nur viel Geld stehlen.«
McCain nickte. Überraschenderweise schien er nicht gekränkt. »Ich bin ein Dieb. Aber unterschätze mich nicht, Alex. Ich bin der größte Dieb aller Zeiten. Und ich brauche das Geld nicht zu stehlen. Die Menschen werden es mir freiwillig geben.«
»Sie sagten, Sie wollten eine Katastrophe herbeiführe n …«
»Schön, dass du so gut aufpasst. Genau das werde ich tun – vielmehr habe ich es schon getan. Denn die Katastrophe nimmt bereits ihren Lauf, während wir hier an diesem lauschigen Ort zusammensitzen.«
Er drückte seine Zigarette aus und zündete sich gleich darauf eine neue an.
»Die Menschen brauchen einen Grund zum Spenden, und mein mit Verlaub genialer Einfall bestand in der Erkenntnis, dass man diesen Grund künstlich schaffen kann. Ich gebe dir ein Beispiel. Im vergangenen Mai kam es im Atomkraftwerk Jowada in der südindischen Stadt Chennai zu einem schweren Unfall. Die Idee war ganz einfach: Einer meiner Mitarbeiter schmuggelte eine Bombe in das Kraftwerk. Das Ergebnis war leider enttäuschend. Die Explosion konnte nicht ihre volle Wirkung entfalten. Es gelangte kaum radioaktive Strahlung nach draußen und sie richtete weniger Schaden an, als ich gehofft hatte.
Trotzdem reagierte First Aid als erste Hilfsorganisation und sammelte über eine Million Pfund. Einen Teil davon mussten wir natürlich ausgeben. Wir mussten größere Mengen eines Strahlenschutzmittels kaufen und für Werbung zahlen. Immerhin machten wir noch einen steuerfreien Gewinn von vierhunderttausend Pfund. Der Unfall war die Generalprobe für das, was ich hier in Kenia vorhabe. Wir konnten damit auch einen Teil unserer Betriebskosten decken.«
»Was haben Sie denn hier vor? Und was soll ich ausgelöst haben?«
»Auf dich kommen wir gleich zu sprechen, Alex. Was ich vorhabe? Eine stinknormale, handfeste Seuche. Nicht nur in Kenia, auch in Uganda und Tansania. Ich spreche von einer Katastrophe bisher unbekannten Ausmaßes. Und das Schöne daran ist: Ich kann sie nach Belieben steuern. Aber ich will nicht lange herumreden. Ich kann dir zeigen, was ich meine. Denn ich bin, wie du nun sehen wirst, der Katastrophe einen Schritt voraus.«
Er öffnete seinen Laptop und drehte ihn so, dass Alex auf den Bildschirm schauen konnte. »Wenn die Katastrophe in einigen Wochen ausbricht, werden andere Hilfsorganisationen nach Kenia eilen. Alle warten ja irgendwie darauf, dass etwas Schlimmes passiert. Nur deshalb gibt es sie überhaupt. Aber wir von First Aid müssen schneller sein als sie. Wer zuerst reagiert, bekommt den Löwenanteil des Geldes. Deshalb haben wir unseren Spendenaufruf schon vorbereitet.«
Er drückte auf ENTER.
Ein Film startete. Langsam zoomte die Kamera ein afrikanisches Dorf heran. Auf den ersten Blick schien alles normal. Doch dann hörte Alex Fliegen summen und sah die toten Tiere. Kühe lagen mit aufgeblähten Bäuchen und steif ausgestreckten Beinen auf dem Boden. Die Kamera schwenkte zu einem Adler, der offenbar im Sturzflug vom Himmel heruntergefallen war und mit dem Kopf im Boden steckte.
Zugleich sagte eine sanfte Stimme eindringlich: »Eine schreckliche Katastrophe hat Kenia getroffen. Eine beispiellose Seuche sucht das Land heim und niemand weiß, was sie ausgelöst hat. Die Menschen sterben zu Tausenden. Die ersten Opfer sind alte Menschen und Kinde r …« Die Kamera hatte ein Kind erreicht, das blicklos ins Leere starrte. »Auch die Tiere bleiben nicht verschont. Der Wildbestand Afrikas wird dezimiert. Albtraumhafte Verhältnisse sind in Kenia eingekehrt und wir brauchen dringend Geld, um das Land zu retten, bevor es zu spät ist. First Aid organisiert bereits Nahrungsmitteltransporte in die betroffenen Gebiete und hilft vor Ort mit lebenswichtigen Medikamenten und Trinkwasser. Außerdem unterstützen wir
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