Alex Rider 4/Eagle Strike
hämmerte mit den Fäusten gegen die Wände dieses Sargs aus Stahl. Und merkte, dass ihm allmählich die Luft ausging.
Während er wie wild um sich schlug, spürte er plötzlich, dass die Wand an einer Stelle nachgab. Es gab noch eine zweite Klappe!
Er rang nach Luft, krümmte sich zusammen, um durch die neue Öffnung zu kriechen. Ein weiterer Tunnel, so dunkel und kalt wie der erste. Aber jetzt flackerte wenigstens wieder ein wenig Hoffnung in ihm auf. Vielleicht gab es doch einen Ausweg! Er durfte nur nicht noch einmal die Beherrschung verlieren, dann würde er vielleicht einen Weg zurück ans Tageslicht finden.
Der zweite Tunnel war länger, und Alex glitt schlangenartig voran. Er ermahnte sich immer wieder, langsam zu kriechen, denn in der Finsternis war er vollkommen blind. Wenn sich vor ihm plötzlich ein Loch auftat, würde er einfach hineinstürzen. Beim Vorwärtskriechen tastete er die Wände ab und suchte nach weiteren Öffnungen. Schließlich stieß er mit dem Kopf gegen etwas Hartes und fluchte. Es half ihm, seinen Hass auf Damian Cray laut hinauszuschreien. Und die eigene Stimme zu hören bedeutete, dass er noch lebte.
Der harte Gegenstand war eine Leiter. Er griff mit beiden Händen danach und tastete sie ab. Über ihm musste sich eine Öffnung befinden. Er lag flach auf dem Bauch, schaffte es aber, sich langsam so weit herumzudrehen, dass er die Leiter hinaufsteigen konnte. Mit den Händen tastete er nach oben, um nicht plötzlich gegen eine Decke zu stoßen. Schließlich berührten seine Finger etwas und er begann, sich mit beiden Armen dagegen zu stemmen. Zu seiner unendlichen Erleichterung sah er Licht. Er hatte eine Art Falltür angehoben, die in einen riesigen, hell erleuchteten Raum führte. Alex stieg die letzten Leitersprossen hinauf und kroch aus der Öffnung.
Die Luft war warm. Alex atmete sie begierig ein und wartete, bis sich die Klaustrophobie und die Panik wieder legten. Gleichzeitig blickte er sich um.
Er kniete auf einem strohbedeckten Boden. Der ganze Raum war in ein gelbliches Licht getaucht. Drei der Wände schienen aus riesigen Steinblöcken zu bestehen. Lodernde Fackeln, die in eisernen Haltern steckten, ragten schräg von den Wänden. Alex stand vor einem mindestens zehn Meter hohen Flügeltor aus Holz, das mit Eisenbeschlägen versehen war und auf dem man ein riesiges Gesicht aus Holz angebracht hatte. Irgendein mexikanischer Gott mit tellergroßen Augen und massiven, viereckigen Zähnen. Alex hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen, aber er brauchte eine Weile, bis er sich daran erinnern konnte. Und in diesem Augenblick wurde ihm klar, was ihm bevorstand. Schmerzsimulatio n – so hatte es Cray immer wieder genann t …
Dieses Tor hatte Alex schon im Game Dome beim Start des Spiels Feathered Serpen t – »Gefiederte Schlange « – gesehen. Damals war es nur ein vom Computer auf den riesigen Bildschirm projiziertes Bild gewesen. Und Alex war durch einen Avatar, einen virtuellen Doppelgänger, dargestellt worden. Aber offenbar hatte Cray das Spiel realistisch und in Lebensgröße nachbauen lassen. Alex streckte die Hand aus und berührte eine Wand. Natürlich war sie nicht aus Stein, sondern aus irgendeinem gehärteten Kunststoff. Das ganze Ding hätte genauso gut in Disneyland stehen können. Es war das Abbild einer längst versunkenen Welt, die mit modernsten High-Tech-Materialien rekonstruiert worden war. Noch vor wenigen Tagen hätte Alex das alles nicht für möglich gehalten, aber jetzt wusste er mit absoluter und furchtbarer Gewissheit, dass er sich in der perfekten Rekonstruktion des Computerspiels wiederfinden würde, sobald sich die Tore öffneten. Und das hieß, dass er dort auch dieselben Aufgaben erfüllen musste. Nur diesmal würde alles echt sein: echte Flammen, echte Säure, echte Speere un d – wenn er auch nur einen einzigen Fehler macht e – sein echter Tod.
Hatte Cray nicht erwähnt, dass er andere »Freiwillige« eingesetzt hatte? Vermutlich waren sie gefilmt worden, während sie sich durch die verschiedenen Aufgaben kämpften. Und immer waren auch ihre Empfindungen aufgezeichnet, irgendwie digitalisiert und in das Gameslayer-System einprogrammiert worden. Die ganze Sache war total irre. Alex wurde jetzt klar, dass die Gefängniszelle und die unterirdischen Tunnel sozusagen nur zum Warmlaufen gedient und noch gar nicht zum tödlichen Spiel gehört hatten. Das fing erst hier an.
Er blieb völlig regungslos stehen, denn er brauchte Zeit, um
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