Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
dich leider töten müssen«, sagte Nile.
Aber Alex ließ sich nicht aufhalten. Er hörte die leisen Schritte auf dem Holzboden hinter sich und passte genau den richtigen Zeitpunkt ab. Im allerletzten Moment blieb er plötzlich stehen, wirbelte herum und riss ein Bein hoch, um seinem Gegner einen Tritt in den Magen zu verpassen, der ihn mindestens für einige Sekunden kampfunfähig gemacht hätte. Aber zu seinem Entsetzen kickte sein Fuß ins Leere. Nile hatte entweder geahnt, was er vorhatte, oder sich mit unglaublicher Geschwindigkeit aus der Gefahrenzone bewegt.
Alex drehte sich einmal im Kreis, um zu einem Kizami-zuki anzusetzen, einem Fauststoß, den er beim Karate gelernt hatte. Aber zu spät. Nile wich aus, und dann sah Alex einen furchtbaren Handkantenschlag auf sich zukommen. Er traf ihn wie ein Hammer. Alex taumelte. Der ganze Raum schwankte und wurde dunkel. Verzweifelt versuchte er eine Verteidigungsstellung einzunehmen, hielt die Arme quer vor den Körper und senkte den Kopf. Aber das hatte Nile erwartet. Schon schlang er Alex einen Arm um den Hals und drückte ihm mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Jetzt reichte eine kleine Drehung, und Nile konnte ihm das Genick brechen.
»Das hättest du nicht tun sollen«, sagte Nile wie zu einem kleinen Kind. »Ich habe dich gewarnt, aber du hast nicht gehorcht. Und jetzt bist du tot.«
Ein stechender Schmerz, ein greller Blitz. Dunkelheit.
A ls Alex zu sich kam, fühlte sich sein Kopf an wie ausgerenkt. Selbst nachdem er die Augen aufgemacht hatte, brauchte er einige Sekunden, bis er wieder etwas sehen konnte. Er versuchte eine Hand zu bewegen und stellte erleichtert fest, dass er eine Faust machen konnte. Also war sein Genick nicht gebrochen. Er versuchte sich zu erinnern, was passiert war. Offenbar hatte Nile seinen Kopf im letzten Moment losgelassen und ihm einen Schlag mit dem Ellbogen versetzt. Alex war nicht zum ersten Mal k.o. gewesen, aber noch niemals war er mit solchen Schmerzen wieder aufgewacht. Hatte Nile ihn wirklich töten wollen? Irgendwie zweifelte er daran. Auch wenn ihre Begegnung nur wenige Sekunden gedauert hatte, war Alex klar, dass er an einen Meister geraten war, einen Kampfsportler, der genau wusste, was er tat, und keine Fehler machte.
Nile hatte Alex k.o. geschlagen und hierhergebracht. Wo war er? Mit dröhnendem Schädel blickte Alex sich um. Und ihm gefiel überhaupt nicht, was er sah. Er befand sich in einer kleinen Kammer, vermutlich irgendwo im Keller des Palasts. Feuchte Flecken im Putz der Wände. Der Fußboden musste noch bis vor Kurzem überflutet gewesen sein. Alex lag auf einer Art Lattenrost aus halb vermoderten Brettern. Die Beleuchtung des Raums kam von einer einzelnen Glühbirne hinter einer schmutzigen Glasabdeckung. Fenster gab es nicht.
Alex zitterte am ganzen Körper. Es war kalt hier unten trotz der Hitze des Septemberabends. Und da war noch etwas. Die Wände waren mit Schleim bedeckt, wie er feststellte, als er mit einem Finger darüberstrich. Er hatte gedacht, der Keller sei dunkelgrün gestrichen, sah aber nun, dass die Flut nicht nur den Boden bedeckt hatte. Sie war bis an die Decke gestiegen. Sogar die Glühbirne war offensichtlich einmal unter Wasser gewesen.
Allmählich erwachten seine Sinne, und jetzt nahm er auch den Geruch des Wassers in der Luft wahr und erkannte den Gestank von faulem Gemüse, Schlamm und Salz, der für die Kanäle von Venedig so typisch war. Er konnte das Wasser sogar hören. Es war irgendwo unter ihm. Er kniete sich hin und untersuchte den Boden. Eines der Bretter war lose, und er konnte es ein wenig zur Seite schieben. Als er mit der Hand hineingriff, fühlte er Wasser. In diese Richtung konnte er also nicht entkommen. Er drehte sich um. Eine kurze Holztreppe führte zu einer massiven Tür. Er ging hinauf und lehnte sich mit aller Kraft dagegen. Nichts. Die Tür gab keinen Spalt nach.
Was nun?
Alex trug noch immer seine Kostümierung: Die Seidenhose und die Weste boten keinerlei Schutz gegen die feuchte Kälte. Er dachte kurz an Tom, und das tröstete ihn ein wenig. Wenn er am Morgen noch nicht wieder im Hotel wäre, würde Tom mit Sicherheit Alarm schlagen. Bis zum Sonnenaufgang konnte es nicht mehr lange dauern. Alex hatte keine Ahnung, wie lange er bewusstlos gewesen war, denn als er sich verkleidet hatte, hatte er seine Uhr abgelegt. Hinter der Tür war alles vollkommen still. Er konnte nur warten.
Alex kauerte sich in eine Ecke und schlang die Arme um die Brust. Die
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