Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
Schutz. Dahinter lag ein weites flaches Gelände, das nur mit Gras bewachsen war. Dort hatte man eine Kulissenstadt aufgebaut mit Fassaden von Bürohäusern und Geschäften, genau wie bei Filmaufnahmen. Alex hatte schon zweimal beim Training mitgemacht und mit einer Pistole auf Pappziele geschosse n – schwarze Ringe mit rotem Zentru m –, die, von einem Mechanismus bewegt, plötzlich in Fenstern und Türen auftauchten.
Gordon Ross, der rothaarige Techniker, der die meisten seiner Fertigkeiten in schottischen Gefängnissen erworben zu haben schien, leitete die Schießübungen. Als Alex kam, nickte er ihm zu. »Guten Tag, M r Rider. Wie war die Visite bei unserem Irrenarzt? Hat er dir gesagt, dass du verrückt bist? Wenn nicht, möchte ich mal wissen, was du hier zu suchen hast!«
Ein paar andere Schüler standen um ihn herum und justierten ihre Waffen. Alex kannte sie inzwischen alle. Da war Micha, ein deutscher Söldner, der bei den Taliban in Afghanistan trainiert hatte. Walker, der nach fünf Jahren beim CIA in Washington zu dem Schluss gekommen war, dass er mehr verdiente, wenn er für die andere Seite arbeitete.
Eine der beiden Frauen hielt sich immer in Alex’ Nähe auf, sodass er sich schon fragte, ob sie vielleicht den Auftrag hatte, ihn im Auge zu behalten. Sie hieß Amanda und war als Soldatin der israelischen Armee im Gazastreifen stationiert gewesen. Als sie ihn sah, hob sie eine Hand zum Gruß. Sie schien sich aufrichtig zu freuen, ihn zu sehen.
Aber das taten sie eigentlich alle. Und das war merkwürdig. Er war völlig problemlos in das alltägliche Geschehen auf Malagosto aufgenommen worden. Allein das war bemerkenswert, wenn Alex daran dachte, wie der MI6 ihn zur Ausbildung nach Wales geschickt hatte und er dort von Anfang an als unerwünschter Außenseiter behandelt worden war, als ein Kind, das sich in die Welt der Erwachsenen gedrängt hatte. Auch hier war er mit Abstand der Jüngste, aber das schien keine Rolle zu spielen. Ganz im Gegenteil. Die anderen akzeptierten und bewunderten ihn sogar. Er war John Riders Sohn. Jeder wusste, was das bedeutete.
»Du kommst gerade rechtzeitig, um uns zu zeigen, was du kannst«, sagte Gordon Ross. Mit seinem schottischen Akzent klang alles, was er sagte, wie eine Provokation. »Gestern hast du ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Das zweitbeste von allen hier. Sehen wir mal, ob du heute vielleicht sogar noch besser sein kannst. Aber diesmal habe ich eine kleine Überraschung für dich eingebaut!«
Er gab Alex eine Pistole, eine belgische FN-Halbautomatik. Alex wog sie in seiner Hand, um ein Gefühl für die Waffe zu bekommen. Ross hatte erklärt, das sei wesentlich für die Technik, die er instinktives Schießen nannte.
»Denk dran, du musst sofort schießen. Sonst bist du tot. In einer realen Kampfsituation bleibt dir keine Zeit für irgendwelche Spielchen. Du und die Waffe bilden eine Einheit. Und wenn du daran glaubst, das Ziel treffen zu können, dann triffst du es auch. Darum geht es beim instinktiven Schießen.«
Alex trat mit der Waffe in der Hand vor und beobachtete die Attrappen der Häuser, die Fenster und Türen. Er wusste, es gab keinerlei Vorwarnung. Jederzeit konnte irgendwo ein Ziel hochschnellen. Und dann musste er sofort darauf feuern.
Er wartete. Die anderen beobachteten ihn gespannt. Gordon Ross konnte er gerade noch aus den Augenwinkeln erkennen. Lächelte der Lehrer?
Eine plötzliche Bewegung.
In einem Fenster war ein Ziel aufgetaucht, und Alex erkannte gleich, dass die runden Zielscheiben mit den unpersönlichen Ringen ersetzt worden waren. Stattdessen sah er ein Foto. Ein lebensgroßes Farbfoto von einem jungen Mann. Alex kannte ihn nicht, aber das war in diesem Augenblick gleichgültig. Er war ein Ziel.
Zum Überlegen blieb keine Zeit.
Alex hob die Pistole und schoss.
A m Abend desselben Tages saß Olivier d’Arc, der Direktor des Rekrutierungs- und Ausbildungszentrums, in seinem Büro auf Malagosto und sprach mit Julia Rothman. Ihr Bild füllte den Monitor des Laptops vor ihm auf dem Schreibtisch. Gleichzeitig übertrug eine Webcam sein eigenes Bild nach Venedig in den Witwenpalast. Mr s Rothman kam nie auf die Insel. Sie wusste, dass Malagosto von amerikanischen und britischen Geheimdiensten beobachtet wurde, und eines Tages kämen sie vielleicht auf die Idee, die Insel mit Raketen zu beschießen. Das war ihr zu gefährlich.
Es war erst das zweite Mal seit Alex’ Ankunft, dass sie miteinander sprachen. Es war genau
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