Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
gekommen war. Nile stand in der Tür, mit einer Hand an den Rahmen gestützt.
»Ich habe dich gesucht, Alex. Was machst du hier?«
»Ich habe nachgedacht.«
»Professor Yermalow sagt, er hat dich hier oben gesehen. Komm jetzt wieder runter.«
Jetzt kommt er mich holen, dachte Alex, aber Nile blieb, wo er war.
»Ich wollte nur mal allein sein«, erklärte Alex.
»Ich finde, du solltest wieder runterkommen. Du könntest abstürzen.«
Alex zögerte. Dann nickte er. »Na schön.«
Er folgte Nile die Wendeltreppe hinunter, bis sie endlich festen Boden erreichten.
»Professor d’Arc möchte dich sprechen«, sagte Nile.
»Um mir zu sagen, dass ich durchgefallen bin?«
»Wie kommst du denn darauf? Du hast dich hier sehr gut eingeführt. Alle sind zufrieden mit dir. Du bist noch keine vierzehn Tage hier und hast schon enorme Fortschritte gemacht.«
Sie gingen zusammen zurück. Zwei Schüler begegneten ihnen und grüßten leise. Erst gestern hatte Alex gesehen, wie die beiden mit Fechtsäbeln einen fürchterlichen Kampf ausgetragen hatten. Zwei todbringende Killermaschinen, die jetzt seine Freunde waren. Er schüttelte den Kopf und folgte Nile ins Klostergebäude zu d’Arcs Arbeitszimmer.
Der Direktor saß wie üblich hinter seinem Schreibtisch und sah so gepflegt aus wie immer, sein Bart war frisch getrimmt.
»Nimm doch bitte Platz, Alex«, sagte er. Er tippte einen Befehl in seinen Computer und starrte durch seine Goldbrille auf den Monitor. »Ich habe hier deine Ergebnisse«, fuhr er fort. »Es wird dich freuen zu hören, dass die Lehrer alle nur Gutes von dir berichten.« Er runzelte die Stirn. »Wir haben da jedoch ein kleines Problem. Dein psychologisches Profi l …«
Alex sagte nichts.
»Es geht um das Töten«, sagte d’Arc. Ich habe gehört, was du bei deinem ersten Besuch in meinem Büro gesagt hast, und ich wiederhole, es gibt noch viele andere Dinge, die du für Scorpia tun kannst. Aber hier kommt jetzt das Problem, mein Lieber. Du hast Angst zu töten und daher hast du Angst vor Scorpia. Du bist nicht wirklich einer von uns, und ich fürchte, du wirst auch niemals einer von uns werden. Das ist wenig befriedigend.«
»Heißt das, ich darf hier nicht bleiben?«
»Ganz und gar nicht. Ich bitte dich, uns ein wenig mehr zu vertrauen. Ich suche nach einer Möglichkeit, dir das Gefühl zu vermitteln, dass du wirklich zu uns gehörst. Und ich glaube, ich habe die Lösung gefunden.«
D’Arc schaltete den Computer aus und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Er hatte einen anderen Anzug an als letztes Mal. Dieser war braun mit Fischgrätmuster.
»Du musst zu töten lernen«, sagte er plötzlich. »Du musst es tun, ohne eine Sekunde zu zögern. Denn wenn du es einmal getan hast, wirst du sehen, dass es eigentlich gar keine so große Sache ist. Es ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Ganz einfach. Aber du musst diese psychische Sperre überwinden, Alex, wenn du einer von uns werden willst.« Er hob eine Hand. »Ich weiß, du bist noch sehr jung. Ich weiß, das fällt dir nicht leicht. Aber ich möchte dir helfen. Ich will es dir weniger schmerzlich machen. Und ich glaube, das kann ich.
Ich werde dich morgen nach England schicken. Und noch am selben Abend wirst du deinen ersten Auftrag für Scorpia ausführen, und wenn dir das gelingt, gibt es kein Zurück mehr. Dann wirst du wissen, dass du tatsächlich einer von uns bist, und wir werden wissen, dass wir dir vertrauen können. Und jetzt kommt die gute Nachricht«, sagte d’Arc lächelnd, und die Zähne, die dabei zum Vorschein kamen, wirkten unecht. »Wir haben eine Person ausgewählt, die den Tod ganz besonders verdient ha t – du wirst uns sicher zustimmen. Es ist jemand, für den du nur Hass empfinden kannst, und wir hoffen, dein Hass und dein Zorn werden dich so motivieren, dass du deine letzten Zweifel besiegen kannst. Mr s Jones. Die stellvertretende Leiterin der MI6-Spezialeinheit. Sie hat die Erschießung deines Vaters angeordnet. Wir wissen, wo sie wohnt und werden dir helfen, an sie heranzukommen. Sie ist es, die du für uns töten sollst.«
Scorpias Handschrift
K urz vor vier Uhr nachmittags stieg in Whitehall ein Mann aus einem Taxi, bezahlte mit einer druckfrischen Zwanzigpfundnote und machte sich auf den kurzen Weg zur Downing Street. Angetreten hatte der Mann seine Fahrt in Paddington, aber dort wohnte er nicht. Und er war auch nicht mit dem Zug nach London gekommen. Er war etwa dreißig Jahre alt, hatte kurzes blondes Haar und
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