Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
herrschte Chaos. Menschen rannten über den Rasen. Die Beamten der Touristenpolizei brüllten, bliesen in ihre Trillerpfeifen und gestikulierten wild mit ihren behandschuhten Händen, aber niemand beachtete sie. Weitere Polizeiautos trafen ein. Ihr Blaulicht blitzte grell durch die Nacht. Sirenen verstärkten den allgemeinen Lärm noch zusätzlich.
Hier und da sah Alex amerikanische Sicherheitsbeamte in ihre Kehlkopfmikrofone schreien. Sie schienen nicht zu verstehen, was ihre Kollegen sagten. Die Nacht war schwärzer denn je. Keuchend atmete Alex die warme Luft ein. Er schwitzte und hatte das Gefühl, in einem heißen Ofen zu stecken.
Wo war Julius? Suchend blickte er sich nach einer blauen Uniform inmitten des Gewühls von Anzügen und Abendkleidern um. Die anderen Schüler des Cairo College waren nicht zu sehen, aber sie konnten überall sein. Eine Stimme dröhnte auf Arabisch durch ein Megafon, begleitet von statischem Rauschen. Wo steckte Julius? Hatte er ihn verloren? Hatte Julius fliehen können?
Aus den Augenwinkeln fiel ihm eine Bewegung auf, die nicht in das Muster der in Panik fliehenden Menschen passte. Ein Zusammenstoß von etwas Blauem mit etwas Weißem. Dort war er! Julius hatte einen Beamten der Touristenpolizei angegriffen. Was bezweckte er damit? Er hatte dem Mann das Knie in den Solarplexus gerammt. Der Mann ging zu Boden und Julius hob etwas vom Rand des Rasens auf. Jetzt verstand Alex, was er vorhatte. Er brauchte eine Waffe und hatte dem Polizisten die leichtgewichtige Pistole vom Typ Vzor 27 abgenommen, mit der ägyptische Polizisten standardmäßig ausgerüstet sind. Damit waren sie wieder beide bewaffnet. Alex hielt noch die Tokarew in der Hand. Es machte die Verfolgungsjagd gefährlicher, fühlte sich jedoch richtig an. Schließlich waren sie Doppelgänger.
Alex rannte los. Julius schien ihn zu spüren, denn er drehte sich hastig um. Obwohl sie durch gut zwanzig Meter und einige Hundert Menschen getrennt waren, begegneten sich ihre Blicke. Ob Julius es auf eine Schießerei ankommen ließ? Nein. Vor seinen Füßen lag ein bewusstloser Polizist, der bald andere Polizisten auf den Plan rufen würde.
Mit hassverzerrtem Gesicht wandte Julius sich ab und entfernte sich im Laufschritt.
Alex folgte ihm. Er gab sich keine Mühe, seine Pistole zu verstecken. Polizisten und Sicherheitsbeamte suchten nach einem Attentäter. Einen Teenager in Schuluniform würden sie nicht weiter beachten. Julius stieß die Menschen, die ihm im Weg standen, mit Ellbogen und Fäusten zur Seite und näherte sich dem Tor. Alex hatte das Gefühl, langsamer voranzukommen, doch der Abstand zwischen ihnen blieb gleich.
Alex war auf einmal ganz ruhig. Diesmal würde Julius ihm nicht entkommen.
Julius lief durch das Tor. Dahinter lag ein großer runder Parkplatz, auf dem Dutzende von Straßenhändlern und Taxifahrern sowie weitere Polizisten und Soldaten standen, die zum Teil noch gar nicht wussten, was genau vorgefallen war. Eine lange Allee mit Brunnen und Statuen führte zur Hauptstraße. Der Verkehr staute sich aufgrund der Massenflucht. Als Alex am Tor ankam, traf etwas Hartes seine Schulter. Hatte ihn jemand von hinten geschlagen? Er drehte sich um, sah aber niemanden. Die Aula hinter ihm leuchtete von riesigen Scheinwerfern angestrahlt weiß durch die Nacht. Zwischen den gewaltigen Säulen des Eingangs strömten immer noch Menschen heraus und in seine Richtung.
Wieder traf ihn etwas, diesmal auf den Kopf, und er spürte, wie Wasser an seiner Schläfe hinunterlief. Da begriff er, was passierte. Das Unwetter brach los. Die ersten Regentropfen fielen herab. Sie waren so groß wie Tischtennisbälle. Er hob den Kopf und sah gerade noch den Blitz, der mit kosmischer Urkraft die ganze Skyline von Kairo erhellte. Im selben Moment krachte ein Donnerschlag, als breche das Gefüge der Welt auseinander. Dann begann es richtig zu schütten. Das Wasser stürzte senkrecht vom Himmel. Innerhalb von fünf Sekunden war Alex bis auf die Haut durchnässt. Der Regen strömte ihm durch die Haare und über die Schultern, lief ihm über Lippen und Wangen und in die Augen, sodass er kaum noch etwas erkennen konnte. Doch davon würde er sich nicht aufhalten lassen. Wenn Julius hoffte, im Regen vor ihm fliehen zu können, hatte er sich getäuscht.
Der Verkehr, der sich bisher immer wieder stoßartig weiterbewegt hatte, war ganz zum Erliegen gekommen. Die Autos standen mit den Reifen tief im Wasser. Scheibenwischer, die seit Monaten nicht mehr
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