Alex Rider 9: Scorpia Rising (German Edition)
der Hand hielt.
Alex folgte Julius über den Grünstreifen zur anderen Seite. Bildete er es sich nur ein oder ließ der Regen schon nach? Offenbar hatte der Himmel sich leer geregnet. Er überquerte den Gehweg und betrat den Rasen. Julius war nicht zu sehen, aber Alex wusste, dass er nicht weit gekommen sein konnte. Julius konnte nicht mehr gehen, sondern nur noch kriechen.
Er fand ihn schließlich im Gras neben einem Blumenbeet. Julius hielt sich die verletzte Schulter, seine Pistole lag neben ihm. Vom Zusammenstoß mit dem Taxi hatte er eine schwere Wunde davongetragen, die sein Hemd vollblutete. Die Haare klebten ihm auf der Stirn, der Blick seiner aufgerissenen Augen war starr. Alex trat neben ihn und sah auf ihn hinunter. Verkehr, Universität und Aula rückten auf einmal weit weg. Sie waren allein.
»Willst du mich töten?«, schrie Julius. Er klang nicht ängstlich, sondern hysterisch. »Willst du mich erschießen?«
Alex schwieg. Die Tokarew in seiner Hand zeigte nach unten.
Julius holte mühsam Luft. Er konnte nicht mehr aufstehen, selbst wenn er gewollt hätte.
»Wo ist Gunter?«, fragte er. »Er hat dich bestimmt nicht laufen lassen!«
»Er ist tot.«
»Und jetzt glaubst du wohl, du hättest gewonnen, ja? Du hättest die blöde Außenministerin gerettet und alle würden dich feiern? ›Der gute alte Alex hat es wieder mal geschafft!‹ Aber das stimmt nicht.« Julius krümmte sich zusammen. »Du wirst mich nicht erschießen«, höhnte er. »Das bringst du gar nicht fertig, dazu hast du nicht genügend Mumm. Dafür bist du doch viel zu brav. Alex Rider, der Spion wider Willen. Ich sage dir, wie es weitergeht. Die Polizei verhaftet mich und ich komme wieder ins Gefängnis. Aber weißt du was? Das Gefängnis ist gar nicht so übel. Es ist genauso wie die Schule. Und ewig können sie mich nicht einsperren. Vielleicht fünf oder zehn Jahre. Dann lassen sie mich frei. Du dagegen kommst nie frei, Alex. Nicht nach dem, was wir dir angetan haben. Wir haben dir das Einzige weggenommen, was dir wirklich wichtig war. Wir haben deine beste Freundin getötet. Glaubst du, sie hat noch mitbekommen, wie die Bombe explodierte? Oder war sie gleich tot? Das wirst du dich den Rest deines Lebens fragen. Und ab jetzt bist du ganz allein. Keine Eltern, keine Freunde, keine Jack, niemand. Sieh dich an! Ich spüre, wie du mich hasst.«
»Du irrst dich«, erwiderte Alex. »Du bist mir vollkommen egal.«
Sein Gesicht war hinter dem Regen wie hinter einem Schleier verborgen, der Blick seiner dunklen Augen war leer. In den durchnässten Kleidern sah er aus wie sein eigenes Skelett. Er wandte sich ab und ging.
Julius tastete mit der Hand suchend durch das nasse Gras, fand die Pistole, hob sie und zielte.
Alex spürte ihn. Irgendeine kleine Bewegung. Ein Instinkt. Er fuhr herum.
Julius schoss.
Aber Alex schoss zuerst.
Selket
D er graue Chevrolet bog in den Campus der Universität ein und hielt vor der Aula. Joe Byrne sprang heraus. Chaos umgab ihn.
Er hatte nur einige Hundert Meter entfernt im Hotel Four Seasonsgesessen und die Rede im Fernsehen verfolgt, als der Schuss gefallen war und der Abend plötzlich eine höchst unerfreuliche Wendung genommen hatte. Es war so gut wie ausgeschlossen, dass ein Attentäter zusammen mit den Zuschauern in die Aula geschlüpft war, und nahezu unmöglich, dass er eine Schusswaffe hineingeschmuggelt hatte. Vorausgesetzt, er, Byrne, hatte seine Arbeit gut gemacht. Natürlich hatte die Fahrt zur Aula wieder einmal endlos lange gedauert. Zu Fuß wäre er schneller gewesen.
Jetzt stand er hier in dieser verregneten Nacht und versuchte Antworten auf Fragen zu finden, die nie hätten aufkommen dürfen. Es hatte so plötzlich aufgehört zu regnen, wie es angefangen hatte, aber die Wege und Straßen waren voller Pfützen. Wenigstens hatte die Hitze ein wenig nachgelassen.
Sein Stellvertreter namens Tanner eilte ihm entgegen. Tanner war ein erfahrener Agent und ehemaliger Marinesoldat. Er kam sofort zur Sache.
»Wir haben zwei Todesopfer, Sir. Leider wurde Edwards vor dem Zimmer erschossen, in dem der Attentäter sich versteckte. Es handelte sich um eine Art Kontrollraum unter dem Dach. Und in einem Übertragungswagen wurde ein Fernsehtechniker gefunden. Die Ursache seines Todes ist noch unklar.«
»Und die Außenministerin?«
»Ist unverletzt, Sir. Wir haben sie aus dem Gebäude gebracht. Sie ist bereits in die Botschaft zurückgekehrt. Vom Schock einmal abgesehen, geht es ihr gut.«
»Waffe?«
»Arctic
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