Alexa, die Amazone – Die große Chance
die Schläge dröhnten dumpf und monoton durch den Stall. Dann strafte sie den Fremdgänger mit Missachtung. Sobald Harald in ihre Box trat, drehte sie ihm kühl ihr wohlgerundetes Hinterteil zu und starrte angestrengt in eine Ecke. Alexa stand kopfschüttelnd dabei. So viel weibliche Konsequenz begeisterte sie. Harald war davon weniger angetan.
»Alte Zicke«, schimpfte er, als Ariane selbst auf Zuckerwürfel und saftige gelbe Rüben nicht reagierte. Alexas Lachen brachte die Vollblutstute dann völlig aus der Fassung. Knapp neben Harald schlug ihr Huf ein. Ärgerlich knallte Harald die Boxentür hinter sich zu.
»Werden sehen, wer den längeren Atem hat!«
Alexa war das Lachen blitzartig vergangen.
»Das wird sie mir wohl übel nehmen, was? Ob sie sich das merkt?«
»Da kannst du Gift drauf nehmen«, nickte Harald grimmig. »In dieser Beziehung ist sie wie ein alter, sturer Elefant!«
Irene überlegt sich ihrer realistisch kühlen Art gemäß auch manchmal, weshalb sie ausgerechnet zu Alexa Vertrauen fasst. Zu einem Mädchen, das ihr irgendwann – jetzt noch nicht, das sieht Irene, aber vielleicht schon in naher Zukunft – gefährlich werden kann. Sie züchtet sich die eigene Konkurrenz heran, das weiß Irene genau. Und trotzdem erzählt sie der wissbegierigen Kameradin von ihren eigenen Turniererfahrungen, warnt sie vor den Fehlern, die sie schließlich auch alle erst mal machen musste, klärt sie über Turnierpraktiken auf, erzählt ihr sogar, was sie von den einzelnen Reitern, Richtern oder Parcoursbauern zu halten hat. Sie breitet ihr ganzes Wissen, ihren gesamten Erfahrungsschatz vor Alexa aus, wohl wissend, dass sie Alexa damit hilft, einigeKlippen zu überspringen, an denen sie sich noch selbst den Schädel gerammt hat. Manchmal versteht sie sich selbst nicht mehr und dann hat sie ein schlechtes Gefühl, hört die innere bedrohliche Warnung, ihr Gönnertum einmal bereuen zu müssen.
Alexa läuft mit ihrer fast naiven Ehrlichkeit indessen fast überall offene Türen ein. Es ist ihre unkomplizierte Art, die auch Michael fasziniert. Sabine hat richtig beobachtet. Der hochgewachsene Michael, so beherrscht und elegant im Sattel, kommt tatsächlich leicht aus der Fassung, wenn er mit Alexa unvermutet einmal allein ist. Seine zweiundzwanzig Jahre nützen ihm in dieser Situation dann wenig. Auf der einen Seite kommt er sich selbst lächerlich vor und hat Angst, Alexa könnte seine Unsicherheit bemerken. So ist er aufgeschlossen und äußerst liebenswürdig, solange die anderen dabei sind. Der Situation, Alexa alleine ausgeliefert zu sein, geht er aus dem Weg.
Frank sieht das anders. Er versetzt Michael mitunter einen rohen Knuff.
»Stell dich nicht so linkisch an«, zischt er dann und nickt aufmunternd mit dem Kopf. »Ist doch nichts dabei, wenn du ihr abends mal nachgehst, Mensch. Tust ja gerade so, als wärst du über die Bienchenlehre im Biounterricht nie rausgekommen!«
Seit Alexa in der abendlichen Programmgestaltung tonangebend ist, liebt auch Irene mehr und mehr die nächtliche Gesellschaft. Diese Cliquenwirtschaft passt »Grünauge« überhaupt nicht. Zumal Irene nun plötzlich keine Zeit mehr für ihn hat.
Friedhelm, der raubeinige Aufrührer, fühlt eine ganz andere Art von Zuneigung für Alexa. Bereits am dritten Tag hat er sie bei einer Handlung ertappt, für die er Alexa spontan in sein Herz geschlossen hat. Er hatte verlängerten Stalldienst und war auf den Heuboden gestiegen, um die Fütterung vorzubereiten. Und wen sieht er da zwischen den hohen HeuundStrohballen auf dem Bretterboden knien? Alexa. Sie war gerade dabei, mit den Resten ihres Mittagessens, den sahnigen Gulaschbrocken und ergaunerter Milch, die Stalltiger zu füttern. Um sie herum miezte und maunzte es, rieben sich die jungen und alten Katzen mit munter aufgerichteten Schwänzen an Alexas Beinen, leckten rosarote Zungen eifrig und gewissenhaft die Milch aus dem – ebenfalls geklauten – Suppenteller.
»Spinnst du?«, hatte er gefragt, die Heugabel in der Hand. Alexa war erschrocken herumgefahren, weil sie ihn nicht hatte kommen hören.
»Wieso?!« Ihr Ton verriet Angriff.
»Die sollen hier die Mäuse fangen. Dazu sind sie da!« Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er anscheinend unwillig die Raubtierfütterung.
»Was du nicht sagst«, konterte Alexa frech. »Und du glaubst, Milch verdirbt den Appetit, oder was?«
»Die werden dick und träge. Und fette Katzen wandern hier wie Hasen in den
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