Alexa, die Amazone – Die große Chance
auch mitgekommen?«, rätselt Alexa, neben Nevada kniend.
»Du musst wirklich blind sein!«, seufzt Kurt.
»Warum denn? Was ist denn?«, fragt Alexa und richtet sich auf. Da fällt ihr Blick an Kurt vorbei durch die unbeschichtete Spiegelwand in die Bahn.
Ein Rappe trabt gelassen den Hufschlag entlang. Gebogener Hals, verhaltene Kraft, edler Kopf, federnde Gänge, gestellter Schweif.
»Chicolo!«, schreit Alexa und bricht fast zusammen. »Chicolo!«
Die Glasscheibe hemmt den Schall. Der Hengst trabt unbeirrt weiter.
Alexa macht auf dem Absatz kehrt und stürzt aus dem Zimmer. Nevada hinterher. Draußen hätten sie fast Harald umgerannt, der eben die kleine Treppe hochsteigt. Kopfschüttelnd schaut er den beiden nach. Alexa reißt das Hallentor auf. Es kracht in den Angeln.
»Chicolo!«
Irritiert bleibt der Hannoveraner stehen. Alexa stürmt in die Bahn. Der Hengst verharrt, fixiert den schlanken Zweibeiner, lauscht der Stimme.
»Chicolo!«
Chicolo schnaubt, dann wirft er sich auf den Hinterbeinen herum und galoppiert mit langgestrecktem Hals auf Alexa zu. Nevada jagt ihm entgegen, weicht kläffend seinen trommelnden Hufen aus. Der Staub wirbelt durch die Luft, knapp einen Meter vor Alexa kommt der Hengst zum Stehen. Alexa wirft sich ihm um den Hals. Chicolo schnaubt und zwickt sie in den Rücken. Der große Barsoi rast wie besessen um die beiden herum, stakkatoartig peitscht sein Bellen. Völlig versunken stehen Chicolo und Alexa in der Bahn.
Er hat mich wiedererkannt, er hat mich begrüßt, hämmert es in Alexas Kopf. Sie reibt ihre Stirn an dem kleinen hellen Stern zwischen seinen großen braunen Augen, er hält den Kopf gesenkt, schnaubt leise, drückt seinen Kopf an ihren Busen. So stehen sie eine ganze Weile. Alexa krault ihn an der Kinngrube und an den Gamaschen, kratzt ihn hinter dem Ohr. Der Hengst rührt sich nicht. Nevada bremst seinen Lauf, drängt sich eifersüchtig an Alexa. Die Sekunden zerfließen im Nichts. Die drei stehen regungslos, als warteten sie darauf, gemalt zu werden.
Als der Hengst plötzlich die Ohren spitzt, wird auch Alexa aufmerksam. Hinter ihr ist etwas im Gange. Sie dreht sich um. Ihr halber Kurs hat sich an der Eingangstür versammelt.
»War das aber schön.« Grinsen liegt auf Franks Gesicht. Dafür kassiert er einen Rippenstoß von Irene, die neben ihm steht.
»Wirklich ein schönes Pferd«, sagt sie und nickt anerkennend.
»Jetzt hast du Caprice wohl schon vergessen?« Klaus’ unschuldige Frage fährt ihr wie eine Nadel in das Herz. Tatsächlich, sie hatte alles vergessen. Was sich aber auch alles ereignet hat, seitdem sie losgelaufen ist, um für Caprice eine Belohnung zu holen!
»Das ist Chicolo«, sagt sie, um überhaupt etwas gesagt zu haben.
»Wir wissen es bereits«, kommt auch prompt die Antwort von Michael.
Schweren Herzens macht sich Alexa von Chicolo los. Sie hat irgendwie das Gefühl, dass die anderen die Szene nicht richtig verstehen. Sie geht auf die Gruppe zu. Chicolo und Nevada trotten nebenher.
»Meine Familie ist gekommen«, erklärt sie.
»Schon gesehen«, antwortet Frank.
»Ja, was wollt ihr denn dann überhaupt?«
»Dich zum Essen abholen, es ist gleich ein Uhr«, grinst Friedhelm.
»Das ist nett von euch. Aber ich muss erst noch zu Caprice ...«
»Ist schon erledigt«, schneidet ihr Klaus das Wort ab. »Ich hab ihr in deinem Namen einen Zucker gegeben.«
Oh Gott! Klaus, der gutmütige Klaus, bescheinigt ihr Treulosigkeit.
»Es tut mir leid, Klaus, aber ich konnte wirklich nicht wissen, dass meine Eltern, meine Schwester, mein Onkel, die Hunde und dann auch noch Chicolo hier sein würden. Verstehst du das?«
»Schon gut«, winkt Irene ab. »Wir haben im Stall schon alle Vorbereitungen getroffen. Du kannst nachher in der Bahn helfen, dann stimmt das Verhältnis wieder. Die haben doch nur Angst, sie könnten etwas zu viel tun!«
Dafür kassiert sie einen Rippenstoß von Frank, den sie scherzhaft zurückgibt. Die anderen beginnen zu lachen, der Bann ist gebrochen.
»Ich komm gleich nach. Futtert nicht alles weg!« Alexa dreht sich zu Chicolo um. Sie würde viel lieber bei dem Hengst bleiben und weiter schmusen. Aber ganz aus der Gemeinschaft ausschließen will sie sich auch nicht. Aber ihre Eltern, Kaya und Kurt? Richtiger wäre es doch wohl, mit ihnen zu essen. Hin- und hergerissen zupft sie an Chicolos Mähne.
»Na, habt ihr euch schon begrüßt?«
Nevada springt auf. Alexa dreht sich um.
Strahlend weiße Zähne blinken aus dem
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