Alexander der Große
Weiterentwicklung
von Issos. In den Quellen, bei Arrian, Plutarch und der Vulgata, überlagern sich mehrere Schichten. Von Kallisthenes stammt
das Gebet an den Vater Zeus, der alsbald in Gestalt eines Adlers über dem Haupt seines Sohnes schwebte und so als göttliches
Zeichen des Sieges die Soldaten motivierte. Wie bei Issos dringt Alexander bei Arrian mit einem Stoßkeil aus Hetairenreitern
in Richtung des Großkönigs vor, und wie bei Issos flieht dieser frühzeitig. Der feige Dareios gehört wieder Kallisthenes und
Ptolemaios. In den anderen Fassungen wandelt sich der persische König in einen mutigen Kämpfer, den seine Umgebung nur mühsam
davon abhält, den Heldentod zu suchen. Die Schilderung des Kampfgeschehens ist auf die beiden Könige abgestellt. Um sie herum
entbrennt die hitzigste Schlacht, schließlich stürmen sie selbst aufeinander zu. In Wurfweite schleudert Alexander seinen
Speer, doch es ist nur der Wagenlenker, den er niederstreckt. Im Glauben, ihr König sei tot, fliehen die Begleiter, soweit
sie nicht schon verwundet oder gefallen das Feld bedecken, und die Räder der Streitwagen blockieren. „Es war schon kein Kampf
mehr, sondern ein Morden“, schreibt Curtius Rufus und lässt Dareios in der Finsternis einer „himmelhohen“ Wolke verschwinden.
Sie deckte schließlich auch alle Schlachtenberichte mit Staub zu. Nichts, was erhalten ist, kann Historizität beanspruchen. 25
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|41| Der Zug zum Ammonorakel – Weltherrscher und Gottessohn
Nach der Schlacht von Issos hatte Alexander auf die Verfolgung des Dareios verzichtet. Der Großkönig würde Monate brauchen,
um ein neues Heer zu rekrutieren. Zudem gab es Widerstände, vor allem in der Generalität, noch weiter nach Osten vorzurücken.
Dareios hatte ein Friedensangebot vorgelegt und war bereit, auf alles Land westlich des Euphrat zu verzichten. Damit hatte
Alexander eigentlich erreicht, was an Kriegszielen realistisch war. Es wurde schwer, die Truppen für weitere Kämpfe zu motivieren.
Vielleicht war daher der Entschluss, sich nach Süden gegen das persisch besetzte Ägypten zu wenden, eine Art Kompromiss. Ägypten
war
terra cognita
, die Athener hatten im 5. Jahrhundert versucht, ihre Einflusszone bis dorthin auszudehnen, es bestanden gute Handelsbeziehungen.
Alexander konnte sein Reich ohne Schlacht erweitern, nach der langen persischen Herrschaft würden ihn die Ägypter als Befreier
begrüßen. Gleichzeitig ging er damit das Problem der im Mittelmeer operierenden gegnerischen Flotte an. Von ihren Anlaufhäfen
abgeschnitten, musste sie sich auflösen oder die Seite wechseln.
Alexanders Vormarsch an der phoinikischen Küste wurde jedoch gebremst. Die Seestadt Tyros trotzte ihm sechs Monate, vor Gaza
dauerte die Belagerung immer noch zwei Monate.
Erst im November erreichte Alexander Ägypten, wo er sich feiern und schließlich zum Pharao krönen ließ. Im Nildelta sollte
nun eine neue Hauptstadt entstehen und seinen Namen tragen. Das ägyptische Alexandria, das noch ganz in das Konzept eines
auf den Ägäis-Raum |42| zentrierten Reiches passte, wurde dann das auf lange Sicht wichtigste Erbe des Königs. Dass am Ende des 4. Jahrhunderts seine
Gebeine dorthin überführt wurden, ist kein Zufall.
Von den Grundmauern der neuen Stadt aus begann Alexander das geheimnisvollste Unternehmen des Zuges. Es forderte viele Deutungen
heraus, von denen die bekannteste diejenige des Kallisthenes ist. Sie spiegelt das wider, was Alexander veröffentlicht sehen
wollte, aber das müssen nicht seine wahren Absichten gewesen sein. Nachdem Alexander zum neuen Pharao gekrönt worden war,
besaß er Zeit. Er widmete sich der Ausarbeitung der Pläne für seine Stadt im Nildelta. Mittlerweile war es Januar geworden,
die Offensive gegen den Großkönig konnte erst im Frühjahr fortgesetzt werden. Nahe lag es, die Zentren und Nil-Heiligtümer
Ägyptens zu besuchen, wie es Caesar 184 Jahre später in Begleitung Kleopatras tun sollte.
Doch der König hatte andere Pläne. Er bereitete mit Eliteeinheiten einen Marsch durch die Wüste vor. Sein Ziel war die Oase
Siwah mit dem zur damaligen Zeit berühmten Orakel des Gottes Ammon, zu dem selbst Griechen wallfahrteten.
Regen- und Rabenwunder
Vom Nil aus gelangte Alexander entlang der Küste bis zur Stadt Paraitonion. Das war ungefähr die Hälfte der Strecke. Erst
von hier an begann das Abenteuer, weitere 300 Kilometer durch wasserlose Wüste.
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