Alexander der Große
Krieger, König gegen König, in die
Überlieferung. Angeregt dazu wurde er vielleicht durch einen Historiker in persischen Diensten, Ktesias von Knidos, der in
seinen
Persiká
einen Zweikampf des von den griechischen Söldnern des Xenophon unterstützten Kyros gegen seinen königlichen Bruder Artaxerxes
erfand.
Tatsächlich war es bei Issos nicht zu einem direkten Aufeinandertreffen der beiden Könige gekommen, denn Dareios hatte die
Schlacht frühzeitig verloren gegeben. Das wusste auch Kallisthenes. So war der Zweikampf bei ihm zunächst nur eine Idee, ein
Wunsch Alexanders, der angeblich bereits an der taktischen Aufstellung zu erkennen war. Alexanders Absicht war es demnach,
die Entscheidung im Kampf der beiden Könige zu suchen. Verhindert wurde sie allein von Dareios, der – zunächst auch bereit
zum Duell – wankelmütig wurde und schließlich floh.
Kallisthenes schrieb gleichsam auf dem Schlachtfeld. Sein Bericht trug der aktuellen Situation Rechnung. Dareios war 333 glücklich
entkommen und bereitete mit neuen umfangreichen Rüstungen die nächste Auseinandersetzung vor. In dieser Phase, in welcher
der Ausgang |38| des Krieges wieder offen war, galt es für Kallisthenes, den Großkönig zu diskreditieren und den eigenen König zu heroisieren. 22
Drei Jahre später hatte sich nach der Schlacht von Gaugamela, der zweiten Flucht und der Ermordung des Großkönigs die Situation
völlig geändert. Alexander war nun nicht mehr der Gegner des lebenden Dareios, sondern der Nachfolger des toten. Dies bedingte
eine neue Sicht der Vergangenheit. Ein Mann, dessen Schwiegersohn Alexander werden würde, konnte nicht mehr als feige erscheinen,
er durfte als fast ebenbürtig dargestellt werden. So entwickelten sich aus den Vorgaben des Kallisthenes, einmal der Zweikampfabsicht
Alexanders, zum anderen der Flucht des Dareios, zwei unterschiedliche Überlieferungsstränge, der eine der Situation von 333,
der andere derjenigen von 330 Rechnung tragend.
Den früheren, konservativen hat Ptolemaios. Sein Großkönig flieht als einer der ersten, sobald er sieht, dass der von Alexanders
Leuten angegriffene Flügel in Panik gerät und er selbst vom übrigen Heer abgeschnitten zu werden droht. Er lässt Schild und
Mantel zurück, vergisst den Bogen, als er vom Streitwagen auf ein Pferd wechselt und hört nicht auf zu fliehen, bevor ihn
nicht die einbrechende Nacht schützt.
|39| Die spätere Version, die den veränderten Verhältnissen Genüge leisten will, findet sich in der Vulgata. Dort entspinnt sich
ein Kampf von Gleich zu Gleich; die Tapferkeit der Streiter lässt keine klare Entscheidung zu, die Schicksalswaage schwankt
bald dahin, bald dorthin. 23 Bis zum letzten Atemzug wird gestritten: Wer fällt, trägt die Wunde auf der Brust. Unaufhaltsam stürmt Alexander auf Dareios
zu, der von seinen adligen Getreuen verteidigt wird. Um den Streitwagen des Königs türmen sich die Leichenberge. Noch hält
dieser, alle überragend, stand. Erst als ihm Gefahr droht, aus dem Wagen geschleudert zu werden und lebend in die Hände der
Gegner zu fallen, gibt er die Sache verloren. Wie später Pompeius reißt sich Dareios die Insignien seiner Macht ab und flüchtet
auf einem Pferd aus der Schlacht. Wird bei Ptolemaios nur Alexander (leicht) verwundet, so sind es hier schon beide Könige,
die Blessuren davontragen. Damit aber ist die letzte Steigerung nicht weit. Bei Chares, dem späteren Protokollchef des Hofes,
stehen sich schließlich Dareios und Alexander Auge in Auge gegenüber, es kommt zum direkten Duell, und der Großkönig flieht
erst, nachdem er Alexander eine Verwundung beigebracht hat. 24
|40| Zweikampf der Herrscher in Gaugamela
Issos war nach dem Treffen am Granikos die zweite, Gaugamela knapp zwei Jahre später die dritte große Alexanderschlacht, der
Kampf mit dem indischen König Poros folgte 326. In den Quellen beginnen sich seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. die Details der
verschiedenen Kämpfe, namentlich der von 333 und 331, zu vermischen, die legendarische Ausgestaltung schritt voran. Bereits
mit Kleitarch trat, wie gesagt, eine Darstellungsweise in den Vordergrund, die ganz auf Effekte ausgerichtet war. Die einzelnen
Schlachtmotive wurden auswechselbar. Tatsächlich kann niemand sagen, ob sich das Mosaik von Pompeji auf Issos oder Gaugamela
bezieht. Da die Szene ohnehin unhistorisch ist, ist das auch nicht von Belang. Gaugamela ist gleichsam eine
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