Alexander der Große
vor Erschöpfung, Hitze oder
Durst nicht mehr aufrecht halten konnten; und niemand war, der ihnen forthalf, oder verweilte, um sie zu pflegen; denn mit
großer Eile ging der Zug vorwärts, und unter der Sorge um die Rettung aller musste die der einzelnen zwangsläufig vernachlässigt
werden. So lagen welche mitten im Wege, vor Durst zusammengebrochen; dann starben sie, unter krampfartigem Zittern der Arme
und Beine, wie jemand, der vom Fieber geschüttelt wird. Andere wurden unterwegs vom Schlag übermannt, da sie durch die dauernden
Nachtmärsche übermüdet waren; rafften sie sich dann wieder auf, so gelang es wohl den Kräftigeren, den Spuren des Heeres zu
folgen und sich so unter furchtbaren Anstrengungen zu retten, aber das waren nur wenige von vielen; die meisten verloren die
Richtung und gingen, wie auf einem Meere verschlagen, im Sande zugrunde. 63
Motive und Gründe
Über die Gründe des Zuges diskutierte schon die Antike. Nearchos ist der einzige, wie ausdrücklich bezeugt wird, der Alexander
mit Nichtwissen entschuldigt. Er habe die Schwierigkeiten des Marsches nicht geahnt und ihn gewählt, um ihn, Nearchos, aus
nicht allzu großer Entfernung mit Nachschub zu versorgen. 64 Die große Mehrzahl der Quellen sah dagegen das Motiv der Imitatio (Nachahmung). Alexander habe diesen Weg genommen, weil
er Semiramis, die sagenhafte Königin von Babylonien und Kyros, den Organisator des persischen Weltreiches, habe übertreffen
wollen. Die eine sei mit 20 Mann, der andere lediglich mit sieben zurückgekehrt. 65
Daran gemessen, war Alexander erfolgreich. Nach einer Angabe Plutarchs brachte er immerhin ein knappes Viertel seines indischen |67| Heeres zurück, eingeschlossen allerdings die Truppen des Krateros und die Mannschaften des Nearchos. 66 Interessanter ist, wie viele in der Wüste Gedrosiens zurückblieben. Eine Schätzung ist schwierig, der beste Kenner der Materie,
der Althistoriker Hermann Strasburger, hat sie aber gewagt. Er geht nach den Zahlen Plutarchs, der das Heer in Indien auf
ca. 135 000 Mann beziffert, von ca. 60 000 bis 70 000 aus, die den Marsch begannen. Strasburger rechnet mit maximal 15 000, die das Unternehmen überlebten, mithin mindestens 45 000, die das rettende Karmanien nicht mehr erreichten. 67 Das ist eine Größenordnung, die sonst nur aus der berühmten Einkesselungsschlacht Hannibals bei Cannae bekannt ist und welche
die Zahl derjenigen, die zehn Jahre vorher aus Pella aufbrach, deutlich übertrifft.
Nach Auskunft der meisten antiken Historiker war es, wie erwähnt, eine sportliche Idee, der Wettstreit mit Semiramis und Kyros,
der Alexander dies wert war. Vielleicht trieb ihn jedoch anderes, von dem die Begleiter seines Zuges nichts wussten oder das
sie nicht zugeben wollten.
Alexanders größter Rückschlag im Verlauf seiner Herrschaft war die Rebellion seines Heeres am Hyphasis. Zum ersten Mal konnte
er seinen Willen nicht durchsetzen, der König und seine Soldaten hatten sich entzweit. Der übertriebene persönliche Einsatz
Alexanders in den folgenden Kämpfen am Indus, der zu einer schweren Verwundung führte, lässt sich unschwer als Versuch deuten,
das Vertrauen der Truppen zurückzugewinnen. Aus der gleichen Wurzel mag sich dann auch ein vielleicht uneingestandener Rachegedanke
gespeist haben, die beim Vormarsch vom Heer verweigerten Strapazen durch solche des Rückweges zu ersetzen. Es bleibt eine
Vermutung; allenfalls Alexander wusste davon, und vielleicht nicht einmal er. Die Historie sah das jedenfalls ganz anders.
Der Wüstenzug brachte die große Legende vom guten König Alexander hervor, der auf alle Privilegien verzichtet, um die Leiden
seiner Soldaten zu teilen. Nicht einmal der sonst so kritische Arrian zweifelt an der Historizität entsprechender Berichte
und würdigt den Marsch als außerordentliches Beispiel für die Führungsqualitäten des Königs:
|68| „Alexander litt selbst unter dem Durst und hielt sich nur mit Mühe aufrecht, doch führte er nach wie vor seine Truppen zu
Fuß an, damit auch die anderen Soldaten […] leichter mit diesen Strapazen fertig würden. Da fanden nun einige Leichtbewaffnete,
die sich auf Wassersuche etwas vom Heereszug entfernt hatten, solches in einem seichten Tümpel – es war jedoch nur ein wenig
faule Brühe. Sie sammelten es ohne große Mühe und brachten es eilig zu Alexander als einen großen Schatz. Schon in seiner
Nähe gossen sie es in einen
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