Alexander der Große
ergibt, sollten auch
die Eliten anderer Völker des neuen Imperiums einbezogen werden. Das war eine Notwendigkeit, keine Gunst Alexanders.
Im Zuge einer langfristigen Herrschaftssicherung zielten die Maßnahmen auf die Etablierung eines makedonisch-persischen Herrenvolkes,
alle anderen Völker, auch die Griechen sanken in diesem Konzept zu dem herab, was sie unter den Römern dann auch wurden: zu
Untertanen. Alexander riss zweifellos die Schranken zwischen dem Osten und dem Westen ein, die meisten davon aber waren erst
im 5. Jahrhundert in der Zeit der athenischen Ägäis-Herrschaft aufgebaut worden. Das Aufblühen der griechischen Kultur in
archaischer Zeit verdankt sich ja maßgeblich Einflüssen aus dem Osten, und so waren die Unterschiede keineswegs so groß, wie
sie der abwertende Barbarenbegriff der Perikleischen Zeit machen will.
Alexanders Reich aber brach zusammen, bevor es entstand. Nach den Vorstellungen seines Königs hätte es auch noch Arabien und
vielleicht Europa bis zu den Säulen des Herakles umfasst. Damit wäre es einer Einheit der Ökumene durchaus nahegekommen. Die
in Opis erflehte Einheit wäre freilich für die meisten erzwungen gewesen, die Teilnahme an der Herrschaft auf wenige beschränkt.
Alexander war ein Schüler des Aristoteles, nicht des Zenon.
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|76| Auf dem Höhepunkt der Macht – Alexander gegen Rom
Um seinen Nachruhm vollkommen zu machen, fehlte Alexander nur der Gegner, der sein Erbe werden sollte: Rom. Erst im spätantiken
Alexanderroman gelingt es dem König, nach Sizilien und von dort nach Italien selbst überzusetzen, um sich von den Römern durch
die Verleihung eines goldenen Kranzes aus dem Capitolinischen Tempel des Jupiter ehren zu lassen. 80 Zu Lebzeiten beschränkte sich das Kennenlernen auf eine Gesandtschaft, die Alexander angeblich in Babylon aufsuchte. Dorthin
kamen im Frühjahr 323, als der König sich nach Abschluss der Indienfahrt für die Umsegelung Arabiens rüstete, zahlreiche Delegationen
und weckten, wie Arrian berichtet, im König das Gefühl, er sei nun Herr über alle Länder und Meere. Die Ökumene war zu Gast
bei Alexander: Libyer, Karthager und Libyphoiniker, die Äthiopier, die europäischen Skythen, Kelten und Iberer, die Illyrer,
Thraker und die benachbarten Gallier, die Völker, Städte und Kleinfürsten Asiens, die Mehrzahl der Adria-Anrainer, Siculer
und Sarden, schließlich aus Italien Bruttier, Lukaner und Tyrrhener. Sie beglückwünschten den König zu seinen Erfolgen, priesen
die Erringung der Herrschaft über Asien, ehrten ihn mit Kränzen, schlossen Freundschaften und Bündnisverträge, überreichten
glänzende Geschenke, einige suchten sich auch gegen Anschuldigungen zu verteidigen. 81
Die im Nachhinein berühmteste dieser Gesandtschaften ist auch die umstrittenste: eine Delegation aus Rom. Um ihre Historizität
entbrannte namentlich in der Kaiserzeit eine heftige Diskussion. Mit Empörung |77| wies schon Livius den Vorwurf der, wie er sagt, „Lächerlichsten unter den Griechen“ zurück, Rom habe „die Majestät von Alexanders
Namen“ nicht ertragen können. Nicht einmal vom Hörensagen hätten die Römer diesen gekannt, behauptet er. Für die Römer, die
sich seit der Zeit der späten Republik (1. Jahrhundert v. Chr.) selbst die Herren der Welt dünkten, war es undenkbar, Alexander
nachgeordnet zu sein, mochte dieser auch seit Jahrhunderten tot sein.
Auch Arrian, der kaiserzeitliche Beamte, weist das in einem längeren Exkurs zurück. Seine Hauptgewährsmänner, Ptolemaios und
Aristobul, wüssten nichts von der Gesandtschaft und ebenso wenig die römischen Historiker. Außerdem sei es ganz unvereinbar
mit dem damaligen freiheitlichen Denken Roms, zu einem fremden König Gesandte zu schicken, weder aus Furcht noch aus Hoffnung
auf Vorteile.
Die Alexanderschlacht des Livius
Der augusteische Historiker Livius stellte in seinen Annalen die Heere neu auf und ließ die nie geschlagene Schlacht zwischen
Makedonen und Römern nachholen. Ganz im Geist seiner Zeit schrieb er ein frühes Kapitel dessen, was heute unter dem Namen
„Virtuelle Geschichte“ firmiert. Der Ausgang des Kampfes ist unschwer zu erraten. Hätten Alexanders Truppen es gewagt, Italien
anzugreifen, so hätten sie nichts geholt denn blutige Köpfe: Während die Makedonen nur über einen (bis dato) unbesiegten Alexander
verfügten, so weiß Livius, hätte Rom viele Alexander gehabt, erfahrene und in
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