Alexander der Große
Zeit ihm zu Ehren dem Volk
der Makedonen erteilte Orakelsprüche. 85
Die Überlieferung hat vier Prodigien bewahrt, die angeblich auf Alexanders Tod hinwiesen. Keines von ihnen hat Alexander beeindruckt.
Für das eine gab es eine rationale Erklärung, die anderen waren erfunden. Zu Letzteren gehört die Warnung des Opferschauers
Peithagoras. Dergleichen wurde von ihm seines Berufs und seiner exponierten Stellung wegen erwartet. Weil die Lebern zweier
Opfertiere ohne Lappen waren, erkannte Peithagoras den nahenden Tod von Hephaistion und Alexander selbst. Das blieb geheim,
die Nachwelt erfuhr es nur, weil der Wahrsager dies – nach dem Ereignis – persönlich dem Historiker Aristobul anvertraute.
Er festigte dadurch seinen Ruf als Opferschauer und konnte auch noch – mithilfe der Leberlappen – den Tod der Diadochen Perdikkas
und Antigonos ankündigen. 86
Der Hintergrund zweier weiterer Legenden ist unbekannt. Sie ähneln sich aber in ihrem Motiv, der Usurpation der Königsinsignien
bzw. des Throns durch einen Fremden. Bei einer Fahrt in das Seen- und Sumpfgebiet südlich von Babylon, wo sich die Gräber
der assyrischen Könige befanden, wehte ein plötzlicher Windstoß den diadem-geschmückten Hut Alexanders, der selbst eine Triere
steuerte, von Bord. Das Diadem verhakte sich an einem der Schilfrohre, die aus den alten Königsgräbern wuchsen. Das war das
erste Vorzeichen. Dann schwamm einer der Seeleute zum Diadem und legte es sich, damit es |83| nicht nass wurde, um den Kopf. Das war das zweite Vorzeichen. Die Seher entschieden sofort, dass ein fremdes Haupt, welches
das Diadem getragen hatte, nicht am Leben bleiben durfte. Alexander schenkte dem Überbringer daraufhin ein Talent für den
Botendienst und ließ ihn dann enthaupten. 87
Der nächste Vorfall ereignete sich nach der Rückkehr wieder in Babylon. Bei einer Truppenbesprechung verließ Alexander für
einige Augenblicke seinen Platz. Ein Unbekannter nutzte den Moment, um sich auf den unbewachten Thron zu setzen. Die anwesenden
Eunuchen zerrissen sich – persischer Sitte entsprechend – die Kleider, schlugen sich an die Brust und zerkratzten sich das
Gesicht. Alexander vermutete einen Attentatsversuch, doch der Mann bekannte selbst auf der Folter nichts dergleichen. Im Lichte
von Alexanders späterem Tod erschien das den Sehern aber als noch stärkerer Hinweis auf ein Unglück. 88
Das sind Anekdoten, einen historischen Hintergrund hatte allein die Voraussage der sogenannten Chaldäer. Sie datiert in das
Frühjahr 323, als Alexander auf dem Weg nach Babylon war. Bevor er die Stadt betreten konnte, zog ihm eine Gruppe dieser Chaldäer
entgegen, astronomisch versierte babylonische Priester und Wahrsager, um ihn vor dem Einzug in Babylon zu warnen. Der Gott
Bel habe durch einen Orakelspruch ausrichten lassen, dass für den Augenblick das Betreten der Stadt kein gutes Ende für ihn
nehme.
Alexander ging nicht darauf ein und antwortete angeblich mit einem Zitat des Euripides, dessen kritische Einstellung zu Orakeln
bekannt war: „Der beste Seher ist, wer richtig zu vermuten weiß.“ Allerdings wollte er die Chaldäer nicht vollends brüskieren
oder die Autorität ihres Gottes schwächen. So ließ er sich eine Ersatzprophezeiung geben, derzufolge er mit Blickrichtung
nach Osten in die Stadt einziehen müsse. Dazu war es freilich erforderlich, zunächst Babylon zu umgehen. Wegen der schwierigen
Geländeverhältnisse – es gab Sümpfe und Moraste auf dem geplanten Weg – ließ Alexander aber auch davon ab. Zum einen hatte
ihm der Philosoph Anarchos geraten, nichts auf den chaldäischen Aberglauben zu geben. Zum anderen kannte er den wirtschaftlichen
Hintergrund des Chaldäer-Rates nur zu gut. Der |84| Neubau des von Xerxes zerstörten Marduk-Tempels, den er schon 331 angeordnet hatte, der aber zunächst verschleppt, nun aber
mit Nachdruck weitergeführt werden sollte, hätte die Priester ihrer wichtigsten Einnahme-Quelle beraubt. 89 Hinter der Warnung steckt also eher ein Wunsch, eine Voraussage wurde es erst nach dem Tod des Königs.
Der Becher des Herakles
Über Alexanders Sterben gibt es dank der Ephemeriden eine zeitgenössische Quelle. So fällt es schwer, Geheimnisse hineinzulesen.
Über die Krankheit selbst wird nichts gesagt. Die Antike kennt sie so wenig wie die Moderne. Datiert sind die königlichen
Tagebücher nach dem makedonischen Monat Daisios, der dem heutigen Mai/Juni
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