Alexander der Große
erscheinen lassen. Der Besuch der Römer bei Alexander war, wann immer er
stattfand, allerdings keine Legende. Es handelt sich vielmehr um den Sonderfall, dass ein historisches Ereignis Jahrhunderte
später aus politischen Gründen zu einer solchen stilisiert worden ist.
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|80| Ein sterbendes Imperium – Die letzten Tage Alexanders
Was zu Lebzeiten Alexanders am Hof veröffentlicht wurde, unterlag der Zensur. Nach der Hinrichtung des Kallisthenes bedurfte
es dazu keiner Vorgaben. Als wäre die Büchse der Pandora geöffnet, verbreiteten sich mit dem Tode des Königs jedoch die Gerüchte
in seinem untergehenden Imperium. Im Streit um das Erbe bildeten sich neue Mythen, Freunde wie Feinde Alexanders übertrafen
sich in der Produktion von Legenden. Auch die Moderne spielt dieses Spiel weiter. Obwohl Alexanders letzte Krankheit dank
der Ephemeriden, die Arrian und Plutarch in Auszügen überliefern, gut dokumentiert ist, wurde die Todesursache zum Feld wildester
Spekulationen. Das hängt damit zusammen, dass Alexander scheinbar auf dem Höhepunkt seiner Macht starb – tatsächlich war diese
längst im Schwinden begriffen – und dass er unmittelbar vor dem Beginn einer neuen großen Unternehmung stand, der Umsegelung
Arabiens.
Die erste Legende ist, dass Alexander – knapp 33 Jahre alt – früh starb. 356 geboren, führte er seit seiner Thronübernahme
mit 20 Jahren beständig Krieg. Feldzüge brachten ihn Tausende von Kilometern an die entlegensten Punkte der damals bekannten
Welt. Die Quellen berichten immer wieder, dass er – aus psychologischen Gründen – oft die Strapazen des einfachen Soldaten
teilte. Er litt an Krankheiten, die Genesung nach dem überstürzten Bad im Kydnos dauerte Wochen, niemand rechnete mit einer
Heilung. In den Kämpfen wurde er öfter verwundet, bei der Erstürmung einer indischen Stadt so schwer, dass die Ärzte ihn aufgaben
und die Soldaten bereits am Krankenlager vorbeidefilierten |81| . Die letzten Monate seines Lebens waren von solchen Trinkexzessen geprägt, dass der König nach Auskunft der Tagebücher oft
erst nach zwei Tagen sein Zelt wieder verlassen konnte. Alexander war physisch und in seiner Vereinsamung nach dem Tode des
Hephaistion auch psychisch so geschwächt, dass nahezu jede neue Krankheit das Ende bedeuten konnte. Das eigentliche Wunder
ist, dass er so lange lebte. Der jugendliche Held, den der Mythos schuf, war er schon seit Persepolis nicht mehr.
Hephaistion
Als Jugendfreund begleitete Hephaistion den gleichaltrigen Alexander von Beginn des Zuges bis zu seinem Tod im Winter 324/323.
Über die Anfänge der Freundschaft sind nur Anekdoten (z. B. beim Besuch Trojas) bekannt, die aber das erst für die letzten
Jahre bezeugte intime Verhältnis voraussetzen. Nachdem er seit Gaugamela (331) verschiedene militärische Kommandos innegehabt
hatte, übernahm Hephaistion im Lauf des Indienfeldzuges eine führende Rolle und stieg danach inoffiziell zum zweiten Mann
in Alexanders Reich auf. In Susa heirateten er und Alexander Töchter des Dareios. Nach dem überraschenden Tod Hephaistions
veranstaltete der König gigantische Leichenspiele und richtete einen eigenen Heroenkult zu dessen Ehren ein.
Die Vorzeichen
Wenn ein Heros stirbt, hinterlässt er Spuren, Vorzeichen künden seinen Tod an. Sie haben es an sich – ein Prodigium (Vorzeichen),
das ernst genommen wird, erfüllt sich nicht –, dass sie erst nach dem Ereignis bemerkt (oder auch erfunden) werden. Das war
bei Caesars Tod so, und bei demjenigen Alexanders nicht anders. Die diesbezüglichen Legenden finden sich bereits bei den Historikern
der ersten Generation. Sie waren dabei, als Alexander in Babylon starb, und so konnten sie auch als erste nach den Vorzeichen
suchen, die diesen Tod angekündigt hatten. Dass die Götter nicht schweigen konnten, wenn einem |82| Mann wie Alexander Gefahr drohte, davon war die Antike überzeugt, wie noch bei Arrian zu lesen ist:
Daher geschah es meiner Überzeugung nach nicht ohne göttliche Fügung, dass dieser Mann, keinem anderen Menschen vergleichbar,
in die Welt getreten ist. Und darauf sollen auch die Weissagungen bei Alexanders Tod hingedeutet haben und die Erscheinungen,
die Verschiedenen zuteil geworden, und die Traumgesichte, die Verschiedenen erschienen sind, darauf auch die bis jetzt übermenschliche
Verehrung seines Andenkens von Seiten der Menschen; darauf endlich andere, jetzt nach so langer
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