Alexander der Große
entspricht. Die letzten beiden Wochen Alexanders
beginnen am 16. Daisios mit einem großen Trinkgelage zu Ehren des Admirals Nearch und enden mit dem Defilee seiner Soldaten
am Krankenbett. Das ist das letzte glaubwürdige Bild, das wir von Alexander haben, danach beginnt die Legende. Das erste,
was erfunden wurde, sind die letzten Worte. Diejenigen Alexanders sind knapp. Auf die drängende Frage, wem er das Reich übergeben
wolle, soll er gesagt haben: „Dem Besten.“ 90 Aus der Unschlüssigkeit dieser Äußerung leitet sich dann noch die Prophezeiung ab, die Alexander nach anderen Aussagen hinzufügte:
Er sehe gewaltige Leichenspiele an seinem Grab voraus. Abgesehen davon, dass Alexander dies nicht sagte, war es auch nicht
schwer, die Kämpfe der Diadochen vorauszuahnen. 91 Schon die Ephemeriden aber entlarven diese Äußerungen als Erfindung. Solange Alexander noch sprechen konnte, befasste er
sich mit dem Arabienfeldzug. Danach gab er nur noch Zeichen. Möglich ist, dass er einem seiner Leibwächter, dem Perdikkas,
seinen Siegelring übergab, wenn auch nicht ganz klar wird, was diese Geste genau bezweckte. 92 Ptolemaios hat sie offenbar verschwiegen, weil sie in jedem Fall eine Auszeichnung des nachmaligen Konkurrenten bedeutete.
Was von dem Wunsch Alexanders zu halten ist, in der Oase Siwah begraben zu werden, lässt sich nicht sagen. 93 Der Leichenzug machte schon in Alexandria Halt.
|85| Chronologie der letzten Tage
18. Daisios
[Der König] erhob sich dann, badete, schlief, speiste darauf wieder bei Medeios zu Abend und trank abermals bis tief in die
Nacht. Nach dem Gelage badete er, aß eine Kleinigkeit und schlief sofort an Ort und Stelle ein. Denn er fieberte bereits.
[…]
20. Daisios
Am nächsten Morgen badete er und opferte danach. Anschließend lag er im Bade und verbrachte die Zeit mit Nearchos, indem er
sich von seiner Fahrt und dem großen Meere erzählen ließ.
21. Daisios
Am nächsten Tag badete er wieder und brachte dazu die üblichen Opfer dar. Sofort nachdem diese vollzogen waren, begann er
stark zu fiebern, empfing aber trotzdem die Armeeführer und befahl, alles klarzumachen zum Auslaufen der Flotte. Am Abend
badete er, fühlte sich aber bereits sehr schlecht. […]
24. Daisios
Am nächsten Tag war sein Befinden schon ernst, doch brachte er die üblichen Opfer dar und befahl den Armeeführern, sich im
Palast, den Kommandeuren von Einheiten zu tausend und fünfhundert Mann, sich vor den Toren aufzuhalten. Bereits in einem Zustand,
der Schlimmstes erwarten ließ, wurde er aus dem Park in den Palast zurückgetragen. […]
27. Daisios
[Er] lag […] wortlos, während das ganze Heer an ihm vorbeizog, und grüßte sie alle, Mann für Mann, indem er mühsam den Kopf
hob und mit den Augen Zeichen gab. Am 28. Daisios (10. Juni) gegen Abend starb er.
Ephemeriden: FGrHist 117 F 3 (ARRIAN 7.25.1 26.3, PLUTARCH 76)
Soweit die Überlieferung in diesen Punkten wohlwollend ist, geht sie vor allem auf Kleitarch zurück. Aber auch die Alexandergegner
bemächtigten sich der Vorgänge in Babylon und gaben ihnen ihre eigene Färbung. Schon Kleitarch hatte den Beginn der Krankheit
aus dramaturgischen Gründen auf einen bestimmten Moment zugespitzt. |86| Es ist das Austrinken des Herakles-Bechers beim Gelage im Wohnquartier des Medeios. Nachdem er schon Unmengen gemischten Weins
getrunken hat, lässt sich Alexander einen besonders großen Pokal geben, weiht ihn dem Herakles und leert ihn bis auf den Grund.
Wie von einem Schlag getroffen schreit er plötzlich auf und muss an der Hand der Freunde weggeführt werden. Ärzte kümmern
sich um ihn, doch es ist zu spät. 94
Schon Plutarch bestritt diese Szene vehement und erklärte sie als Phantasie, „die manche schreiben zu müssen glaubten, als
wenn sie damit einen erschütternden, tragischen Schluss für ein gewaltiges Drama gefunden hätten“. 95 Für die Alexandergegner aber war genau das der letzte Beweis für ihre Behauptung, Alexander habe sich zu Tode getrunken.
Ihr Bild vom Alkoholiker findet hier seine Bestätigung. Für seine Feinde war Alexander gescheitert, und so erfanden sie eine
letzte Legende. Angesichts des unausweichlichen Todes habe sich der König zum Euphrat fortstehlen wollen, um durch sein unbemerktes
Verschwinden im Fluss den Glauben an seine göttliche Abstammung und seinen Heimgang zu den Göttern in der Nachwelt zu festigen. 96
Wechselnde Mörder
Die Alexandergeschichte
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