Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Licht des Vollmonds, der über den Dächern und dem Meer stand, sah Dymas, daß der Mann ägyptische Gewänder trug; sein schwarzer Bart war gestutzt und ausrasiert. Aber die leisen Worte waren Persisch.
» Du solltest verschwinden– eine Empfehlung von Bagoas.«
Dymas starrte ihn wortlos an, umklammerte die Kithara. Das zerstörte Instrument gab klagende Mißklänge von sich, als er die Saiten mit dem Unterarm berührte.
Der Perser schob ihn ungeduldig weiter. » Mach schon.« Er zischte fast. » Du bist zu schade für ein Messer und nicht wichtig genug für eine Leibwache. Wir müssen ein paar Leute zum Schweigen bringen, keiner kann sich um dich kümmern. Ein Schiff aus Kition läuft bald aus; beeil dich.«
Dann war er verschwunden, als hätte ihn der Boden oder die Menge verschlungen. Tekhnef faßte nach Dymas’ Hand und zerrte ihn fort, zum Meer, zur Mündung, zum Haus, durch wirre Gassen.
» Was wollte der Mann?« Sie keuchte, bemühte sich, halblaut zu sprechen.
Dymas hielt sie fest; sie standen vor Kleonikes Haus. » Er will, daß ich verschwinde. Ein Perser. Sie bringen wichtige Leute um. Das Messer war eine Aufmerksamkeit des Pharao. O ihr Götter, was geschieht hier?«
Tekhnef hielt ihn mit ausgestreckten Armen bei den Schultern; ihre Worte waren kaum zu hören. Der Lärm, den sie hinter sich gelassen hatten, nahm zu; aus den Augenwinkeln sah Dymas Schatten zwischen den Bäumen des Platzes auftauchen.
» Sie… sie hat gesagt, ich bin frei. Nimm mich mit.«
» Komm.« Er hielt immer noch die Kithara, nahm das Messer zwischen die Zähne und zog Tekhnef mit der rechten Hand ins Haus. Die Stille jenseits der schweren Tür war wohltuend. Und unheimlich.
Sie liefen durch die Gänge, zu Kleonikes Gemächern. Dann schrie Tekhnef auf und preßte eine Hand vor den Mund.
Die Tür zu Kleonikes Arbeitsraum stand offen; von einem Deckenbalken baumelte Mandrokles. Dymas ließ die Kithara fallen, nahm das Messer in die Rechte und duckte sich unter den Beinen des Mannes hindurch, der von Leben und Schwermut erlöst war.
Ein Raum nach dem anderen, alle verwüstet, alle ohne Kleonike. Tekhnef folgte langsam, mit aufgerissenen Augen.
Sie fanden die Greisin im Zimmer, das zum Strand blickte. Die Vogelkäfige waren zertrümmert. Kleonike lag auf dem Boden, die toten Augen fast aus dem Kopf gequollen. Das Gewand war zerschlitzt. Jemand– es mußten mehrere gewesen sein– hatte auf dem Steinboden Feuer gemacht; Fackeln und Lampen gab es genug. Sie hatten die goldene Nase aus dem Kopf der Greisin gerissen, im Feuer erhitzt und in ihre Wange gedrückt; das Gesicht war versengt und blutverschmiert. Sie hatten das Amulett glühend gemacht und in Kleonikes Brust gebrannt. Sie hatten die kleinen Vögel getötet und ihr in den Mund gestopft. Die silbernen Spiegel gegenüber den Fensteröffnungen waren verbeult.
Dymas wandte sich ab, schaute hinaus aufs Meer. Halb am Strand, aber deutlich im Begriff aufzubrechen, lag ein großer Lastensegler.
Der Musiker ächzte halblaut; er spürte, daß ihm Tränen die Wangen hinabrannen. Sanft aber nachdrücklich schob er die erstarrte Tekhnef aus dem Raum, weiter, bis sie wieder bei Mandrokles’ Leichnam angekommen waren.
Dymas hob die Kithara auf; mit zuckenden Händen riß er das Joch und die Eisenwirbel aus dem zerstörten Instrument. Das Krachen und Bersten schien Tekhnef aus der Erstarrung zu wecken. Sie stieß einen lauten, schrillen Klageschrei aus.
Wenige Atemzüge später, wie es schien, hatten sie Dymas’ prallen Münzgürtel, die Aulostasche, einen Beutel mit seinen und Tekhnefs wichtigsten Habseligkeiten beisammen. Tekhnef zögerte, dann lief sie durch das leere Haus, aus dem die übrigen Haushaltssklaven geflohen schienen, verschwand irgendwo und tauchte mit einem schweren Ledersäckchen voller Goldmünzen wieder auf. Kleonike brauchte sie nicht mehr.
Auf dem Gang zur Treppe hielt Tekhnef plötzlich an und gab Dymas Zeichen: schweigen, lauschen. Sie hörten Stimmen, Männer, die Ägyptisch redeten; die verschlossene Haupttür, Eisen und hartes Holz, krachte und knirschte, brach aber noch nicht.
Tekhnefs Gesicht verzerrte sich; sie machte kehrt, gefolgt von Dymas, der das Haus gar nicht so gut kennen konnte wie sie. Eine Tür, die Wand zu sein schien; eine steile enge Treppe; ein Luftzug aus dem Dunkel; über ihnen die Schreie und das Getrampel von Männern; ein Holzdeckel über der Öffnung am Ende eines röhrenartigen Gangs, durch den sie kriechen mußten; dann
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