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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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waren sie im Freien, zwischen Büschen, unmittelbar oberhalb des Strands.
    In der Stadt brannten einige Häuser; von überall waren Schreie und Kampfgeräusche zu hören. Der Frachter, der halb am Strand gelegen hatte, war in tiefes Wasser geschoben worden, wandte dem Land die Backbordseite zu und schien zu warten. Der Vollmond, zwischen Mast und Rah eingeklemmt, übergoß das Meer mit Silber. Dymas watete ins Wasser; hinter sich hörte er Keuchen und Planschen und spürte Tekhnefs Hand an seinem Rücken. Ein bärtiges Gesicht hob sich über die Bordwand.
    » Seid ihr die Händler aus Kition?« stieß Dymas hervor; im letzten Moment erinnerte er sich daran, daß die kyprische Stadt ein alter phönikischer Stützpunkt war, und sprach statt Hellenisch das reine Küstenphönikisch des Ostens.
    Der Mann grinste, schüttelte den Kopf und deutete nach Osten. Ein anderer Frachtsegler, der wahrscheinlich im Hafen gelegen hatte, glitt unter dem Mond und den Sternen aufs Meer hinaus.
    Eine Stimme, hinter Dymas und Tekhnef, klang auf. Dymas erkannte sie sofort; sie sprach Westphönikisch und gehörte Hamilkar aus Karchedon.
    » Los, macht schon, oder wollt ihr hierbleiben?«
    Arme reckten sich ihnen entgegen, halfen ihnen an Bord. Hamilkar kam als letzter; am Strand liefen Männer mit Fackeln zusammen. Sie hörten Metall klirren und sahen den Widerschein des Mondes und der Fackeln auf Waffen.
    Als die ersten Leute vom Strand ins Wasser wateten, tauchten nahezu geräuschlos die Ruderblätter ein; der Frachter bewegte sich quälend langsam, weg vom Strand, von den Fackeln, von den Verfolgern, fort von Kanopos und den Bränden, die die Nacht über Ägypten zerrissen.
    Tekhnef kauerte am Fuß des Masts; sie hatte das Gesicht auf die Arme gelegt, die auf den vor die Brust gezogenen Knien ruhten. Hamilkar stand auf dem Achterdeck und gab Anweisungen; dann kam er die Stufen zum Hauptdeck herab und blieb vor Dymas stehen.
    » Glück für dich, Musiker. Wir waren nicht deinetwegen hier und hätten nicht gewartet.«
    Dymas nickte langsam. » Ich mag blind und taub sein, aber ich überschätze mein Gewicht im Spiel der Mächte keineswegs. Was tust du hier? Ich hätte angenommen, du seist mit Timoleon und dem Krieg auf Sizilien beschäftigt.«
    Hamilkar grinste; im Mondlicht waren seine Zähne weißgelb. » Das tun andere. Weiter draußen warten ein paar von unseren Kriegsschiffen, für alle Fälle. Ich wollte gewisse… Spuren beseitigen, ehe es zu spät ist. Und wenn große Dinge geschehen, die man nicht verhindern kann, sollte man sie wenigstens aus der Nähe betrachten, um aus ihnen zu lernen.«

11 .
    Freund des Königs
    Die Tage flossen ineinander; der mächtige Strom des Wissens, dessen Quell Aristoteles war und der sich später in den Jungen zum See staute, wusch und verspülte die Zeit, bis sie aus einer gleichförmigen Reihe glatter Einheiten bestand, dem gesichtslosen Gleithang des Flusses. Hin und wieder bildeten sich Strudel des Streits, Klippen, Untiefen, das eine oder andere Stückchen Prallhang, aber nur von wenigen Ereignissen ließ sich hinterher sagen, wann etwa sie sich zugetragen hatten. Ebenso gleichförmig, aber in sich meßbarer waren die Tage in der Festung bei Beroia; anders als die Stauung von Wissen war der Erwerb fortschreitender Fähigkeiten zu fühlen: Muskeln, die härter wurden, zunehmende Geschicklichkeit im Umgang mit Schwert und Lanze, Ausdauer. Und einzelne Vorgänge waren dramatischer als oben in Mieza, wo Freund- und Feindschaften sich langsam entwickelten und nichts aufregender sein konnte als der Abschied eines Schülers oder die Ankunft eines neuen. Keiner hätte sagen können, wann die zähe Feindschaft zwischen Alexander und Kassandros begann, denn sie entlud sich nie: Sie war nur vorhanden. Alle dagegen wußten, daß es ein klarer Herbstmorgen war, als Harpalos– im Reiterkampf mit Lederrüstung und stumpfen Speeren– vom Pferd stürzte und sich Knöchel und Unterschenkel brach. Die Kunst der Ärzte konnte ihn nicht ganz wiederherstellen; er hatte keine Schmerzen, als alles verheilt war, aber er würde bis an sein Ende hinken, und es war das Ende seiner Tage als Lehrling der Kriegskunst.
    An irgendeinem warmen Tag sprachen sie über Herakleitos; Alexander und Aristoteles verbissen sich in den Satz, daß kein Mensch zweimal in den selben Fluß steigen könne. » Der Fluß fließt, der Mensch verändert sich; beim zweitenmal sind beide nicht mehr die selben, sondern andere«, sagte Hephaistion.

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