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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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frischer Milch… Eine Änderung in einem Vers eines seiner Lieder drängte sich auf. Tekhnef musterte ihn von der Seite und faßte nach seiner Hand, blieb aber stumm.
    In der Schänke warteten die anderen Musiker bereits. Dymas nahm die Kithara, trank einen Schluck Wein. Der Hellene mit dem Tympanon schlug einen schleppenden Rhythmus an; seine Finger krabbelten über das straffe Leder, die Bronzeschellen des Rahmens klirrten. Der Nubier mit der Handtrommel fiel ein, dann der Aulet, dessen Bronzeflöte an diesem Abend besonders schrill klang. Die Harfe, dann die Kithara. Dymas spielte sicher, aber ein wenig zerstreut; er beobachtete. In der Schänke waren viele Stammgäste, die übliche Anzahl Fremder, andere Musiker oder Gaukler. Etwas lag in der Luft, eine ungreifbare Spannung. Tekhnef saß in der Nähe, verkrampft und mit weit offenen Augen. Ein Gesicht, hinten, im Schatten einer Säule, kam Dymas bekannt vor, er konnte es aber nicht einordnen. Die flackernden Fackeln, die Öllampen, der Widerschein des Herdfeuers aus der Küche machten alles zu einem Gewirr aus Lichtern und Finsternis.
    Die Harfe stieg in waghalsigen, fast beißenden Sprüngen zum Grundton hinab, perlte noch einmal auf und wurde dumpf. Dymas übernahm; er spielte auf zwei Saiten, vier Töne gegeneinander versetzt, die Grundmelodie eines Stücks. Die Flöte übernahm, kehrte die Töne um, Trommel und Tympanon verschoben den Rhythmus immer weiter nach hinten, zu einem feierlichen Stolpern.
    Dann sang Dymas, die Augen auf Tekhnef und dem Fremden.
    Irgendwann nach dem Galgenberg, früh am Morgen –
    als das Auge zu schwelen begann, sich im Teppich
    der Lügen verlor; als die heiligen Klänge der Nacht,
    die über die Kanäle ihr Netz aus Gedanken
    weben und werfen, dem Mordlied der Dämmerung wichen;
    als die Geister der Flaschen beschworen waren,
    die die bitteren Träume ergebnislos trinken –,
    da hüllte ich mich in das Mauservlies des Vergessens.
    Angenehm zu vergessen sind Königsworte,
    Bruchblicke träger Tiere und innige Rätsel,
    wenn der Pfad vom Abend zum Morgen versickert.
    Nur in der Nacht, wenn die Stadt schläft, nasch ich nackt
    von der feindlich besetzten, köstlichen Gosse.
    Irgendwann dieses Morgens, als durch Gesetz
    die Sonne neu bestimmt und Untertan wurde,
    gab ich auf und vergrub mein Königsgefühl.
    Worte bersten am hinteren Ende der Flucht,
    schlecht gestimmte Worte ehrbarer Mörder,
    Meuchlerseelen in purpurnen Hofgewändern.
    Der Ratschluß des Herrschers steckt widerlich an; er gab
    nach langem Verdenken seine Gesprächsliste aus.
    Meide die Namen, flieh ihre Träger, vergiß,
    mit wem der Herrscher wann welche Dinge beredet.
    Ich las die Liste und zertrat meine Augen.
    Früh spannt der Milchmann die Löwen vor seine Trommel
    zur Unterwanderung. Sind die Löwen erst müde,
    wird die Milch sauer. Die Schwäche der Löwen ist
    die Tücke der Leute. Das Sternenlicht scheut den Tag;
    Tag ist Erfindung lichtscheuen Gesindels,
    das im Tempel, beim Herrscher oder sich selbst
    Ausreden vorweisen will. Darum trink die Gesänge
    nachts, und lausch nur selten den Taglügen jener.
    Aus den Augenwinkeln sah Dymas bei den letzten Klängen eine Bewegung, dann ein metallisches Blitzen. Er riß die Kithara hoch; das geschleuderte Messer zertrennte drei Saiten und ließ den Schallkasten dröhnen. Im Hintergrund der Schänke, in den Schatten, begann ein Handgemenge; alles schrie durcheinander, Tische stürzten um, Becher zerbrachen auf dem Boden.
    Tekhnef kroch durch Tischtrümmer zur Tür; ihre Augen flehten Dymas an, mitzukommen. Er hielt das Messer in der Hand, das er aus der Kithara gezogen hatte, wog es, spähte mit zusammengekniffenen Augen ins Zwielicht, in dem alles durcheinanderrannte; an mehreren Stellen rangen Männer miteinander. Er suchte nach dem Gesicht des Fremden, sah es aber nicht. Vorsichtig, die zerstörte Kithara als Schild erhoben, turnte er über Trümmer und Stühle zum Ausgang. Die anderen Musiker waren bereits geflohen; die Ägypterin hatte ihre Harfe zurückgelassen.
    Auf dem engen Platz vor der Schänke drängten sich die Menschen des Viertels; erregte Reden und wildes Gefuchtel– niemand wußte so recht, was geschehen war. Einige hatten Messer in den Händen. Von rechts, aus der zum Hafen führenden Gasse, tauchten Kämpfer auf, mit Helmen und Panzern und gesenkten Speeren. Dymas drängte sich an der Wand der Schänke entlang nach links, wo Tekhnef wartete. Jemand berührte ihn am Arm; es war der Fremde. Im

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