Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
wir wirklich etwas?«
    Ptolemaios hob die Hand. Er war schlank, sehnig, kräftig, seine dunklen Augen glitzerten. » Xenophon sagt, daß Kyros all diese Völker dadurch beherrscht hat, daß sie ihn fürchteten und ihm gefallen wollten. Das heißt, er war sowohl stark als auch freundlich. Wahrscheinlich bedeutet es, daß er stark und furchtbar war, wenn die Dinge es erforderten, und sanft, mild, gütig, freundlich, wenn alle Dinge und Menschen so waren, wie sie sein sollten. Das könnte bedeuten, daß er vor allem ein gerechter König war und imstande, das Richtige und das Falsche zu unterscheiden. Und daß er nach dieser Unterscheidung gehandelt hat.«
    Aristoteles verschränkte die Arme und nickte langsam. » Richtig und gut gesagt, Ptolemaios. Aber– sind dies wissenswerte, erfahrbare Tatsachen? Ja, Krateros?«
    Der stämmige Sechzehnjährige, der Mieza bald verlassen würde, breitete die Arme aus. Der Umhang öffnete sich und zeigte die gewaltigen Muskeln. Sein breites Gesicht wirkte verhalten belustigt. » Nein es sind keine faßbaren Tatsachen, keine greifbaren Vorgänge. Es klingt wie eine Aufzählung von Eigenschaften, die ein guter Herrscher eben haben sollte; nicht wie eine echte Beschreibung.«
    Aristoteles nickte und lächelte; er blickte Alexander an. » Nun, Sohn des Königs, was hältst du von Xenophons Einleitung und seinen Äußerungen über den großen Kyros?«
    Alexander stand auf und streckte die Hand aus; Hephaistion reichte ihm die Rolle. » Am Schluß dieses Teils sagt Xenophon: › Da ich glaube, daß dieser Mann alle Bewunderung verdient‹, und weiter unten, › daß er in der Beherrschung von Menschen so überaus vortrefflich war.‹ Das zeigt ganz deutlich, daß Xenophon hier die Beschreibung eines idealen Herrschers anstrebt. Diese Vorstellung an sich ist aber schon platonisch, und wie du, edler Aristoteles, uns gelehrt hast, sollte man immer zunächst die Tatsachen ermitteln und erst danach eine Theorie erbauen– wenn überhaupt. Dies hier ist entweder eine Theorie, zu deren Stützung später Tatsachen hinzugezogen oder erfunden werden; oder es ist eine Folgerung, die uns dargeboten wird, bevor das, woraus sie sich ergibt, erzählt worden ist.«
    Aristoteles nickte. » Sehr gut. Willst du noch mehr sagen?«
    Alexander lächelte flüchtig; seine Augen richteten sich auf eine ferne Wolke. » Wenn dies keine Theorie wäre, sondern eine Folgerung, könnten wir darin Tatsachen finden, Wissenswertes. Betrachten wir es einmal so, als wäre es eine Folgerung. Xenophon spricht von verschiedenen Völkern, nicht Stämmen, mit verschiedenen Sprachen– das heißt, das Reich des Kyros muß tatsächlich sehr groß gewesen sein. Um diese Völker zusammenzuhalten, muß er ein sehr gut erdachtes, reibungsloses System zur Übermittlung von Nachrichten und Befehlen besessen haben. Was nun die Sprachen angeht, so läßt dieser Punkt darauf schließen, daß es viele gute Übersetzer gab– wahrscheinlich eine königliche Übersetzerschule.« Er machte eine Pause, überlegte. » Das wiederum bedeutet viele gute Lehrer, und genug Geld, sie und die Schule zu bezahlen. Was nun Sanftheit oder Freundlichkeit angeht, das kann bei verschiedenen Völkern Verschiedenes bedeuten. Was dem einen freundlich erscheint, mag für den anderen Schwäche oder Lästerung göttlicher Befehle sein. Wenn es wirklich allen ein ›lebhaftes Begehren‹ war, ihm zu gefallen, dann muß er alle sehr gut gekannt und geachtet haben, die Menschen ebenso wie die Gebräuche und Götter. Das heißt, er muß alles für alle und ein Gelehrter gewesen sein, mit einem vorzüglichen Netz von Spitzeln. Schließlich noch dies: Damit sie ihn in diesem riesigen, weitläufigen Reich alle fürchten, reicht es nicht aus, hier und da ein paar kleine Festungen mit Truppen zu unterhalten, um Stämme oder Völker zu befrieden. Zweifellos hatte er derlei Festungen und Stützpunkte, aber wenn es nötig war, muß er fähig gewesen sein, sehr schnell große Truppenstärken aufzubieten und zu verlegen. Das wiederum verlangt eine gute Versorgung mit Getreide, mit Viehfutter, mit Wasser, dazu Waffen und Heiler. Und Tiere, um alles zu befördern– die Vorräte wie die Krieger. Solche Vorräte lassen sich aber nicht in einem hungernden Land horten; vermutlich kam das Getreide auch den einfachen Menschen zugute, wenn sie es brauchten. Und jedenfalls muß Kyros, wenn Xenophons Worte nicht reine Erfindung oder Rhetorik sind, große Mengen von Reitertruppen für

Weitere Kostenlose Bücher