Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Waffen und die Alexanders gehörten zu den saubersten. Die dreißig erfahrenen Hopliten hatten ihre Ausrüstung mit wenigen, lange beherrschten Handgriffen gereinigt. Einige der Fürstensöhne waren weniger erfolgreich gewesen. Koinos schnitt eine Grimasse.
» Die jungen Herren stehen nicht besonders gerade. Seid ihr etwa müde? Tut euch etwas weh? Bedauerlich, aber leider sind die Ammen mit den warmen feuchten Tüchern heute anderswo beschäftigt. Ein bißchen Bewegung nach dem langweiligen Marsch bringt euch auf andere Gedanken, glaube ich. Laomedon, deine Waffen sind wie die Füße einer Krähe, die in Tinte gebadet hat. Hekataios– ist das ein Schwert oder ein Stück Scheiße? Perdikkas– na ja. Meleagros, willst du deine Feinde mit der Lanze stechen oder schminken?« Er klatschte in die Hände. » Los, los, Beeilung. Gleich wird es Nacht, dann könnt ihr den eigenen Dreck nicht mehr sehen. Vorher– saubermachen. Das gilt für Laomedon, Hekataios, Meleagros und Simmias. Wenn ihr euer Zeug gesäubert habt, und zwar gründlich, übernehmt ihr die erste Wache. Nein, Alexander, du nicht– noch nicht. Du schläfst ja sowieso erst gegen Morgen ein, wenn überhaupt; es wäre also Vergeudung, dich für eine der frühen Wachen einzuteilen. Du kommst zur letzten, morgen früh. Was? Essen? Ja, was denn noch? Eßt, während ihr um das Lager geht, ihr vier. Die anderen wegtreten!«
Alexander nahm den Beutel mit Getreide und seine Lederflasche; dann ging er zu dem Felsen, auf dem Kleitos saß. Er hatte sich in ein Schaffell gewickelt und lächelte verhalten.
» Na, und wie gefällt es dir?«
Alexander hob die Schultern, lehnte sich an den Felsen und ließ den Regen auf die offene Hand fallen, die ein paar Weizenkörner hielt. » Nicht schlecht.«
» Koinos ist gut, was? Manchmal vergißt man fast, daß er ebenso edler Herkunft ist wie ihr.«
Alexander nickte und aß, langsam, gründlich.
» Aber das muß so sein.« Kleitos legte ihm eine Hand auf die Schulter. » Ihr werdet später einmal diese Männer führen. Ihr dürft von ihnen nichts verlangen, was ihr nicht auch zu geben bereit seid. Und fähig. Deshalb.«
Alexander nickte, malmte, schluckte, wischte sich die Hand am triefenden Chiton. » Ich weiß es. Keine Klage. Es ist nicht besonders spaßig, aber sinnvoll.«
Kleitos summte; plötzlich sagte er. » Da war so ein Unterton, oder? Als ob es andere Dinge gäbe, die weniger sinnvoll sind.«
Alexander spuckte aus, » Philipp will, daß ich Krieger und Herrscher werde. Fein. Ruhm und Ehre und Tod und Unsterblichkeit. Das höchste Ziel; dafür kann man sich auch mal im Schlamm suhlen. Olympias will, daß ich den Willen der Götter erfülle, und Aristandros auch. › Du mußt Ammon gehorchen. Du mußt ein zweiter Achilles werden. Du mußt dies werden und das werden.« Aristoteles macht mich zu einem Gelehrten. Du und Koinos, ihr macht mich zu einem guten Putzer.« Er lachte gepreßt. » Keiner will, daß ich ich bin. Keiner fragt, was ich tun will.«
Kleitos glitt vom Felsen, stand neben ihm, nahm ihn bei den Schultern, drehte ihn zu sich und sah ihm in die Augen. Sie schienen zu brennen, in einem seltsam sengenden Licht. » Wer bist du, Sohn des Königs? Wer willst du sein, künftiger Herrscher der Makedonen? Was willst du tun, Erbe der Pflicht?«
Das Licht flackerte, schien zu erlöschen, flammte wieder auf. » Ich will wissen. Erfahren. Finden. Königssohn, Herrscher, Pflicht– das sind Gewänder, Zubehör, Panzerungen und Namen. Wie soll ich sie tragen oder ausfüllen, ohne daß ich weiß, wer sie trägt? Wer ist ich?«
Kleitos nickte langsam und legte eine Hand an Alexanders Wange. Sie brannte. » Vielleicht sind wir, was wir tun. Vielleicht ist alles, was wir mitbringen, wie Ton, den wir selbst formen und brennen müssen. Hundert Dinge sehen, zehn Dinge tun, um inwendig ein Ding zu begreifen. Und erst wenn wir zehntausend Dinge sind, innen, wissen wir, wer das ist, der da in uns steckt.«
» Zehntausend Menschen sein, um einer zu werden? Zehntausend Leben leben, um sterben zu können? Zehntausend Städte erobern, um in einer wohnen zu wollen? Zehntausend Stadien gehen, um den Boden unter den Füßen zu finden? Zehntausend Speisen essen, um einmal gesättigt zu sein, zehntausend Amphoren Wein leeren für einen Rausch?«
» So ähnlich, Freund.«
Alexander lächelte müde und traurig. » Vor ein paar Tagen hast du noch › Junge‹ gesagt.«
» Das steht mir nicht mehr zu, Krieger. Gestern habe ich
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