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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Auf einem kleinen Hügel machten sie halt, aßen ein paar Trauben und tranken Wasser aus der Lederflasche.
    Als sie weitergingen, hörten sie Geräusche aus einer der Strauchgruppen. Alexander lächelte schräg; vorsichtig bogen sie Zweige zur Seite. Zwischen den Büschen lag Ptolemaios auf dem Rücken; auf seinen Lenden ritt ein schlankes, dunkles Mädchen. Ptolemaios hatte die Augen geschlossen; er keuchte. Das Mädchen starrte blicklos ins Blattwerk, in den Himmel, den Kopf weit im Nacken; ihr Atem rasselte.
    Alexander und Hephaistion gingen weiter, stumm, bis sie den Fluß erreichten, an dessen flachem Ufer sie aufwärts wanderten. Wo der Sand und die Weiden endeten und das Ried begann, blieb Alexander stehen, drehte sich um und blickte zurück. » Das«, sagte er heiser.
    Hephaistion lächelte: ein langsames, träges Lächeln. » Das ist der Vorgang, durch den wir entstanden sind.«
    Alexander sah ihn nicht an. » Was Hengste tun… was deine Eltern, meine Eltern gemacht haben… ist es anders als das, was… Männer miteinander tun? Was Achilles und Patroklos getan haben?«
    » Nicht sehr, glaube ich– Achilles.« Hephaistion blickte ihn an, seine Augen, seinen Mund, dann zog er den Schurz aus und watete ins Wasser.
    Alexander stand am Ufer, wie versunken. » Vielleicht ist es sauberer?«
    Hephaistion verzog das Gesicht. » Wie meinst du das?«
    » Keine Kinder, derentwegen man sich streiten muß. Kein Gebrüll. Keine Eifersucht.«
    Hephaistion hob die Schultern, bückte sich, schöpfte Wasser, ließ es über seinen Bauch rinnen. » Die Spartaner haben immer gesagt, es wäre sauberer, das stimmt. Und Epameinondas hat von Thebens Heiliger Schar gesagt, sie wären deshalb unbesiegbar, weil kein Feind zwischen einem Kriegerpaar durchbrechen kann, das… zwischen zwei Kämpfern, die… ein Paar sind und die Seele des anderen in sich aufgenommen haben.«
    Alexander nickte langsam; er streifte den Schurz ab und warf ihn auf das letzte Stück Sand. » Die Seele?« Seine Stimme war kaum zu hören. » Vielleicht ist sie ja wirklich im Samen.«
    Hephaistion betrachtete ihn, aufmerksam; wieder schöpfte er Wasser mit den Händen, hob sie zum Gesicht, aber die Röte wurde immer tiefer, trotz des kühlen Wassers. Einen Moment lang steckte er den Daumen in den Mund. Dann lachte er und streckte die Hand aus.
    » Komm. Wir wollen uns waschen.«
    Alexander watete in den Fluß, kam zu ihm, bespritzte ihn. Sie begannen zu kichern, rangen einen Moment lang miteinander. Alexander schien die Tropfen in Hephaistions kurzem blonden Haar zu zählen; dann schob er ihn ein wenig von sich, näherte sich ihm wieder. Sein Zeigefinger fuhr über Hephaistions Arme, die Schultermuskeln, die Brust.
    » Du bist sehr stark– Patroklos.« Er hauchte es fast in Hephaistions Mund.
    » Dein Atem… er ist süß.« Hephaistions Stimme war voll von Staunen. Er beugte sich vor und berührte Alexanders Schulter mit der Zunge. » Und sogar dein Schweiß.«
    Sie standen im Wasser und sahen einander in die Augen. Hephaistion legte die flache Hand auf Alexanders Brust; Alexanders Hand hob sich, sank wieder, stieg, berührte Hephaistions Hüfte. Dann küßten sie einander, sehr behutsam, als könnte etwas zerbrechen. Alexander zog Hephaistion hinüber zum Ufer, zu einer schmalen sandigen Stelle im Schilf.
    Aristoteles kümmerte sich nicht um die erotischen Unternehmungen seiner Schüler, sofern sie sich außerhalb des Nymphaions ereigneten. Seine Ausführungen in den langen Gesprächen über hellenische Entwicklungen und Eigenarten, meist in der Wandelhalle, oft auch im Wald, schienen eine gewisse Billigung zumindest der erzieherischen, vorbildhaften Bindungen Bartloser an Erwachsene zu bergen; im übrigen enthielt er sich jeder Wertung. Er sprach von den Praktiken der Kreter, die angeblich in alter Zeit zur Knabenliebe gelangt sein sollten, um die Überbevölkerung ihrer Insel zu mindern; von der Einweihung in allerlei Mysterien; mit Spott erwähnte er Xenophon, dem die Knabenliebe, wie die zwischen Männern, als zersetzend und unnatürlich galt– » unnatürlich wie Verse, Tempel, Pflüge? Auch sie kommen im Tierreich nicht vor und sind dem Menschen nicht eben angeboren. Eigentlich können wir nichts über die Natur des Menschen sagen, dessen lange Geschichte nichts anderes ist als Entfernung, Entwöhnung von der Natur und Kampf gegen die Natur. Was ist widernatürlicher als das Abschneiden von Fingernägeln oder das Stutzen von Bärten?«
    In diesem

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