Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Sarissa, Dolch, Vorratsbeuteln, Lederflasche, Zeltbahn, Brustschutz, Schaufel. Koinos übernahm, ließ sie mit den wegen irgendwelcher Vergehen zu bestrafenden Hopliten zwei Reihen bilden und jagte sie dann im Dauerlauf um den Mittelplatz der Festung, bis die ersten zusammenbrachen.
Philotas und Alexander hatten lange Schwerter erhalten, nicht zum Stechen geeignet, sondern zum Hauen. Sie fochten gegen ältere Männer. Philotas war bald entwaffnet und sah mürrisch zu, wie Alexander ohne sichtbare Mühe seinen Gegner zurückdrängte, ermüdete, ihm schließlich das Schwert aus der Hand schlug.
Perdikkas und Krateros waren den Leichtbewaffneten zugeteilt; sie mußten Pfeile auf eine Zielscheibe schießen. Krateros traf dreimal den Rand, zweimal weiter in der Mitte. Der alte Kreter, der die Bogenausbildung leitete, klopfte ihm auf die Schulter.
» Nicht schlecht, Junge. Ein Jammer, daß du Truppenführer wirst. Aus dir könnte ein guter Kämpfer werden. Was für ne Verschwendung.«
Sie lachten. Perdikkas nahm den Bogen, spannte ihn ohne Pfeil, spannte weiter; die Muskeln wölbten sich, und plötzlich zerbrach der Bogen. Er warf die Stücke fort und schnitt eine Grimasse.
» Ist das für Männer oder für Kinder?«
Der Kreter grinste und reichte ihm einen anderen Bogen, der aus mehreren Dingen zusammengesetzt war; die Sehne hing an einem Ende. » Versuch’s mal damit. Zuerst die Sehne befestigen.«
Perdikkas versuchte es, lange, auf fünf oder sechs Arten; schließlich gab er völlig verschwitzt auf. » Also, das ist unmöglich.«
Der Kreter schüttelte den Kopf. » Für einen makedonischen Krieger sollte nichts unmöglich sein. Schau, sogar ein alter schwacher Kreter kann es.«
Er nahm den Bogen; Alexander, Philotas und Krateros schauten zu. » Woran erinnert uns das?« sagte Alexander lächelnd.
Philotas hob die Schultern. » Der Bogen des Odysseus?«
Der Kreter blickte auf; er zwinkerte. » Er besteht aus den Hörnern eines Steinbocks, ein wenig Holz, ein wenig Eisen und sehr viel Leim. Seht ihr?«
Er stellte den Fuß auf das Ende, an dem die Sehne bereits hing, bog den Bogen über sein linkes Knie, bis aus der Krümmung nach rechts eine Krümmung nach links geworden war, und befestigte das andere Ende der Sehne.
» Das ist, was Penelopes Freier nicht tun konnten. Nur Odysseus, der seinen eigenen Bogen kannte, war dazu imstande.«
Der Kreter reichte Perdikkas die Waffe. » Jetzt versuch es. Die Pfeile fliegen dreihundert Schritt weit.«
Ein Hoplit, vielleicht vierundzwanzig Jahre alt, kam zu ihnen und sah aufmerksam zu. Perdikkas legte einen Pfeil auf und spannte, mit sehr viel mehr Mühe als bei dem ersten Bogen. Er zielte und ließ den Pfeil los, der in den Himmel stieg, weit über die Zielscheibe hinaus. Perdikkas schnitt eine Grimasse, während die anderen lachten. Er wandte sich dem Hopliten zu.
» Du da, lachen kann jeder. Mach es besser.«
Der erfahrene Schwertkämpfer lächelte, nahm einen Pfeil und schickte ihn fast in die Mitte der Scheibe; der Kreter nickte und pfiff durch die zahnlosen Gaumen.
Perdikkas schob die Unterlippe vor. » Ich geb’s ja zu. Gut gemacht. Wie heißt du?«
Der Hoplit legte die rechte Hand an die Brust. » Emes.«
Perdikkas hob die Brauen. » Emes? Huh. Klingt wie aus den allerletzten Bergen. Ist das ein Name oder eine Krankheit?«
Alexander legte eine Hand auf die Schulter des Hopliten und lachte. » Es ist eine Stärke.«
Einige verbrachten die Nächte nicht in der Festung, sondern in der Stadt; Kleitos und Koinos hatten keine Einwände. Nur einmal sagte Koinos leise, als Ptolemaios morgens übermüdet mit steifen Beinen erschien: » Armes Beroia.«
Philotas war längst abgereist; es war der letzte Morgen vor der Rückkehr nach Mieza, dem Austausch. Sie verbrachten ihn mit Nahkampfübungen, bis alle schwitzten. Ptolemaios rümpfte die Nase, als er Hephaistion in den Sand warf.
» Wie kann man schwitzen und dabei immer noch gut riechen? Ihr wascht euch zuviel, glaub ich.«
Alexander zog Hephaistion hoch. » Du dagegen stinkst. Wie ein stößiges Tier.«
Ptolemaios lachte. » Dabei fällt mir was ein.«
Koinos begleitete wieder die Gruppe der Jüngeren; die anderen, die schon ihr zweites Jahr hier verbrachten, gingen allein oder in kleinen Gruppen. Der Weg führte von der Festung durch ein weites Wiesengelände nördlich der Stadt, dann durch Buschwerk in der Nähe eines Flusses. Alexander und Hephaistion gingen langsam, schweigend,– dicht nebeneinander.
Weitere Kostenlose Bücher