Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
den Göttern gefiel.
Jemand legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er blickte auf und sah das Gesicht des schwarzen Kleitos.
» Denkst du etwa, Emes?«
Er lachte. » Ich erinnere mich an die Zukunft.«
Kleitos grinste. » Gut so. Kämpfer, die vor der Schlacht denken, taugen nicht viel. Denken macht müde.« Er ging weiter.
Kleon, auch schon seit Olynth dabei, rekelte sich und grunzte. » Als ob man denken müßte, um müde zu werden. Mann, werd ich reinhauen, wenn alles vorbei ist. Ich glaub, die da drüben haben besseres Futter als wir. Hmmm– attischer Schinken, Wein, aber Bäche davon, und zwar unverdünnt. Wehe, jemand zwingt mich, vor Ablauf von drei Tagen nüchtern zu werden.«
» Schinken«, sagte Emes leise. » Feigen. Im Kephissos gibt’s Fische.« Sein Magen knurrte; er wühlte im Beutel und zerkaute eine halbe Handvoll Körner. » Besser so, als während der Schlacht scheißen müssen, was?«
» Wie lang geben wir uns, und denen?« sagte Kleon. » Eine Stunde, zwei Stunden? Mehr nicht, sonst wird’s zu heiß.«
» Vielleicht sitzen drüben jetzt welche, die das gleiche über uns sagen.«
Kleon spuckte aus. » Vergiß es. Philipp, und Parmenion, und Alexander– wer soll uns da besiegen? Ich war dabei, als der Junge zum ersten Mal geführt hat, oben gegen die Thraker. Wie ein Alter. Keine Zweifel, kein Schwanken, und nie › geht vor‹, sondern immer › mir nach‹.« Er kicherte. » Vielleicht waren wir deshalb so gut– schnell drauf, damit ihm nix zustößt. Und dabei immer freundlich, nicht wie ein paar von den Hochnasen.«
» Ich frag mich grad was anderes. Wie macht er das, daß er immer so gut riecht?«
Kleon hob die Schultern. » Wahrscheinlich wäscht er sich öfter als du, Mann. Falls Götter sich waschen müssen.«
» Götter?«
» Na ja, fast.« Er grinste. » Wir haben’s doch gut, oder? Können uns sogar die Götter aussuchen. Und lieber den als die Bande vom Olymp. Von denen hat nämlich noch keiner bei uns mitgemacht, wenn’s drauf ankam.«
Lange vor Morgengrauen regte sich das Lager. Philipp, Alexander und Aristandros, umgeben von den meisten Offizieren und vielen Kämpfern, brachten die Weihopfer dar; der Altar war ein flacher weißer Stein in der Nähe des Königszelts.
Die Ebene wurde langsam grau; aus dem feuchten Boden und den Wasserläufen stiegen Nebelschwaden. Philipp wandte sich an den Einäugigen. » Du weißt, was zu tun ist? Los.«
Antigonos hob die Hand und winkte die Unterführer der Leichtbewaffneten zu sich; sie verließen das Lager.
Nur wenige Meilen oberhalb der Stelle, wo er in den Kopais-See mündete, verlief der Kephissos hier nach Südosten, nahe am Fuß des steilen, kaum noch bewaldeten Akontion. Ein Teil des makedonischen Lagers befand sich auf der untersten Hangterrasse, wo der Boden schon trocken, aber noch beinahe eben war. Nach Westen zu flachte sich der Berg ab; der Uferstreifen begann unmittelbar am Fuß des Hangs und war schmal. Gegenüber mündeten drei Bäche, die aus den Bergen südlich der Ebene kamen. Einer brachte den Schmutz der boiotischen Stadt mit, die auf einem Ausläufer des Gebirgszugs lag; die beiden anderen flossen aus östlich der Ortschaft liegenden Tälern.
Es gab drüben eine kleine Burg, vermutlich von den Einwohnern als Akropolis bezeichnet. Darin hatten die Athener und Thebaner ihren Stab untergebracht. Die beiden großen Mannschaftslager befanden sich dort, wo die anderen Bäche aus den Bergen kamen: zuerst das der Athener, am Haimon, dann das der Thebaner und der übrigen Boiotier an dem Rinnsal, dessen Name Molos war. Der Bach, der die Abfälle von Chaironia zum Kephissos spülte, hatte keinen Namen; oder keiner der Aufklärer und der Gefangenen wußte ihn.
Der Dunst wurde lichter; fern über dem Kopais-See rötete sich der Himmel. Es war nun hell genug, um abends unvollendet gebliebene Arbeiten wieder aufzunehmen. Koinos und einer von Alexanders jungen Gefährten, Laomedon, trieben die Sklaven und Gefangenen der letzten Monate an. Die begonnenen Latrinengräben wurden zum Fluß hin verlängert; Zimmerleute und ein paar Leichtverletzte, die nicht in die Schlacht ziehen würden, errichteten einen niedrigen Zaun mit breiten Balken, zum Aufsitzen.
Philipp stieg zu einem Felsvorsprung hinauf, der etwa zehn Mannslängen über dem Lager in die Ebene ragte; er winkte Parmenion und Alexander, ihm zu folgen. Als Alexander sich noch einmal umwandte, sah er neben dem nächsten Feuer Perdikkas stehen. Er hatte den
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