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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Demosthenes hatte eine Art Wulst aus vergoldeter Bronze.
    » Du wirst dir noch viel mehr anhören müssen. Todesschreie, Demosthenes; das Kreischen der Verwundeten; nicht zu reden vom Jammern der Witwen und Waisen. Dein erster Kampf?«
    » Der war vor zehn Jahren. Und vor drei Jahren auf Euboia.«
    » Vor zehn Jahren? Als Philipp immer ausgewichen ist und keine Schlacht wollte? Und auf Euboia, wo wir in ein paar Städte einmarschiert sind, die freiwillig die Tore geöffnet haben?« Demades klackte mit der Zunge. » Viel Vergnügen.«
    Schwach, eben noch hörbar, drang von weit rechts etwas zu ihnen, was am Ursprungsort der Töne rhythmisches Gebrüll sein mochte. Demosthenes lauschte mit verdrehtem Kopf.
    » Die Schwüre der Liebenden«, sagte Demades. » Die Pärchen der Heiligen Schar. Machen sie immer. Kein Feind soll unversehrt zwischen uns treten und so weiter.«
    Der Aufmarsch war beendet. Über dreißigtausend Athener, Boiotier und Thebaner standen etwa zwanzigtausend Makedonen, Verbündeten und Söldnern gegenüber. Etwas wie feierliche Stille lag über der Ebene. Dann quäkte eine Salpinx, weitere fielen ein. Heisere, gebrüllte Befehle. Ein paar Meldereiter galoppierten hinter den athenischen Truppen entlang. Der linke Flügel rückte vor, dann die Mitte; die saubere Ordnung der Aufstellung zerfiel, als die Reihen und Glieder sich bewegten. Von links, aus den Hügeln, wo die Leichtbewaffneten beider Seiten längst den Kampf eröffnet hatten, flogen Wolken von Pfeilen auf, ein Hagel aus Steinen und geschleuderten Metallstückchen ging auf die linke Flanke der Athener nieder. Die ersten Männer fielen; Schreie, neue Befehle, der Versuch, ein Kampfgeschrei auszustoßen.
    » Hast du sie gesehen?« Demades und Demosthenes, nebeneinander, in einem der letzten athenischen Glieder, blickten geradeaus, nach vorn, wo sich beim Vorrücken immer wieder Lücken auftaten. » Gefällt mir nicht. Die stehen da so ruhig. Wir hätten es nicht tun sollen, weißt du. Hellenen gegen Hellenen, wie üblich. Ah ja. Die Suppe, die du seit zwanzig Jahren anrührst…«
    Der Vormarsch der Athener und Boiotier stockte, wurde wieder angetrieben, stockte erneut. Der linke Flügel flatterte gewissermaßen unter dem Pfeil- und Steinhagel aus den Hügeln. Lysikles, der den Oberbefehl hatte, schickte Meldereiter los; wieder quäkten Signaltrompeten. Einige Reihen Hopliten des linken Flügels schwenkten und stürmten in die Hügel, um die Belästigung durch die makedonischen Leichtbewaffneten zu beenden; Männer aus den hinteren Gliedern, in schwerem Laufschritt, mußten nach vorn und zur Seite, um die Lücken zu schließen.
    Die makedonischen Glieder standen reglos in der Morgensonne; kein Laut, kein Ruf, kein Schrei, kein Signal war von ihnen zu hören. Eine gespenstische, genaue Bewegung erfolgte plötzlich in der Mitte, wo offenbar das schwere Fußvolk, die Kerntruppe stand: Die drei ersten Glieder senkten die Sarissen, hielten die langen Speere waagerecht. Ein Wall aus Eisenzähnen auf sechs oder sieben Schritt langen Schäften starrte den Athenern und Boiotiern entgegen– ein Wall, den sie rot färben mußten, mit dem eigenen Blut, um nahe genug an die Gegner heranzukommen, um ihre Stichlanzen und die kurzen Schwerter einsetzen zu können. Der Vormarsch stockte.
    Inzwischen stand die Sommersonne halbhoch am Himmel; Dunst stieg aus der feuchten, von zahllosen Schritten aufgewühlten Erde. Demosthenes kniff die Augen zusammen, bis sie schmale Schlitze bildeten. Die Makedonen wurden nicht unsichtbar; dazu war der Dunst zu fein. Aber wie Geister verschwammen sie plötzlich, ohne völlig ungenau zu werden. Dann, immer noch lautlos, mit gleichmäßigen Bewegungen, rückte der rechte Flügel vor, dem linken der Hellenen entgegen. Der Aufprall der ersten Glieder ließ den Boden wanken, zerfetzte die Luft, verfinsterte die Welt. Kampfschreie und Todesschreie, das Wimmern von Verstümmelten, das Klirren von Eisen auf Eisen, ein dumpferes Dröhnen, wo Lanzen auf Schilde stießen, und der stechende Gestank von Blut und Kot und Schweiß und Angst und Gier betäubten die Männer in den hinteren Gliedern, die noch nicht eingreifen durften, noch nicht eingreifen mußten.
    Etwas schien weiter vorn zu geschehen, etwas zugunsten der Verbündeten. Demades stolperte über einen Toten, raffte sich wieder auf. Sie rückten vor, immer weiter; der Boden war übersät mit Waffen und Leichen, mit stöhnenden, niedergetrampelten Männern aus Athen. Demosthenes

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