Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
ihr Götter, sie konnten saufen, ohne umzufallen. Perdikkas, Krateros, Ptolemaios, Seleukos, die ganze Truppe; alle bis auf Alexander selbst, der kaum trank. Vielleicht, überlegte Emes, hatte er als Junge zu oft einen betrunkenen Vater gesehen. Denn Philipp war auch darin der Größte aller Makedonen.
Alexander und die anderen Jungen mußten irgendwo weiter links sein; vorhin hatten sie ihn aus der Ferne gesehen, und es war, als wäre eine warme Woge durch die Reihen geschwappt. Als wäre die Sonne vorzeitig aufgegangen, die eben erst auf den Himmel kroch. Es würde noch ein paar Jahre dauern, bis sie alle ganz entwickelt waren, richtige Gesichter kriegten und die nötigen Macken; irgendwie unterschieden sie sich jetzt nur durch die Haarfarbe. Aber sie waren sehr gut, und in ein paar Jahren würden sie alle unvergleichlich sein. Es hatte nur zustimmendes Brummen gegeben, als die Kämpfer hörten, daß Philipp den rechten Flügel nehmen und seinem Sohn die Hetairenreiter überlassen wollte, die sonst der König selbst führte. Sie standen den Besten gegenüber, Thebens Heiliger Schar, und wem außer Alexander und seinen Gefährten kam es zu, sie zu besiegen? Niemand zweifelte daran, daß sie siegen würden, sie alle, gegen die Übermacht der verbündeten Hellenen. Es zweifelte aber auch keiner daran, daß es blutig werden würde.
In der Reihe von sechzehn Mann, am linken Flügel der Teil-Phalanx, war Emes zweiter hinter dem Unterführer. Die besten vorn und hinten; in der Mitte die Jüngeren. Drüben sahen sie die Hellenen, die sich ausrichteten; es schien die Stelle zu sein, wo Athener und Boiotier nebeneinanderstanden. Emes zerbrach sich einen Moment den Kopf darüber, weshalb Parmenion die Phalanx in mehrere Gruppen spaltete; er war aber noch nicht zu einer Erklärung gelangt, als Philotas die Sarissa reckte und dann quer hielt.
Die Reihen standen still. Philotas drehte sich um, musterte die Gesichter im ersten Glied, nickte und lächelte.
» Ihr steht gut, Männer. Habt ihr die Schlangenlinien gesehen, die unsere Freunde drüben machen? Sie haben zu gut gegessen und getrunken, fürchte ich; hoffentlich haben sie uns noch etwas übrig gelassen. Sie werden sich in die Schurze machen, wenn’s losgeht. Paßt auf, daß ihr nicht darauf ausrutscht. Und– bleibt einfach stehen. Kein Vormarsch, kein Durchhauen, nur die Stellung halten. Den Rest erledigen andere. Wir wollen die Schlacht ja nicht allein gewinnen. Philipp und Alexander würden sich sonst grämen.«
Salpinx-Signale schnitten das Gelächter ab. Die Hellenen marschierten vor, zögernd, wie es schien. Philotas hob die Sarissa. Die ersten drei Glieder richteten die Sarissen aus: Unterführer einschließlich Philotas, Emes und seine Nebenleute, die Männer dahinter. Und Totenstille.
Alexander ritt an die Spitze des Keils; neben ihm und hinter ihm Perdikkas, Ptolemaios, Seleukos, Hephaistion, Erigyios. Die Heilige Schar, angegriffen statt anzugreifen, wankte und brach auf, als die schwere thessalische Reiterei und die Panzerreiter der makedonischen hetairoi mit Schreien, wie Rasende, mit ungeheurer, betäubender Wucht in sie hineinstieß, hineinfraß, die ausgerichteten Reihen zerfetzte.
Auf dem rechten Flügel ließ Philipp seine Truppen vorrücken, den Kampf der Fußkrieger eröffnen; dann gab er den Befehl, langsam zu weichen. Parmenions Mitte, der rechte Teil seines Treffens, von Kleitos und Koinos geleitet, machte die rückwärts gerichtete Bewegung mit, langsam, zäh, ohne wirklich nachzugeben. Die stärksten Teile der Phalanx, in der Parmenions Söhne Philotas, Hektor und Nikanor standen, gab keinen Fußbreit Boden preis.
Die schiefe Stellung, die sich ergab, zwang die Athener, die Philipp gegenüberstanden, ihre Glieder auszudünnen, zu überdehnen, um Fühlung mit dem zurückweichenden Gegner und den verbündeten Boiotiern rechts von ihnen zu halten. In diese Schwachstelle stießen plötzlich Thessalier und Söldnerreiter vor– Parmenions Phalanx öffnete sich, um sie durchzulassen. Das Treffen der Verbündeten zerriß. Hinter den athenischen und boiotischen Reihen trafen die durchgebrochenen Reiter auf Alexander und die Kataphrakten, die Thebens Heilige Schar zertrümmert hatten und nun das boiotische Haupttreffen von der Seite und im Rücken angriffen.
Überall brannten Feuer, unsichtbare Flammen in der Sommersonne. Die Makedonen hatten die Vorräte aus den beiden hellenischen Lagern geholt und schwelgten. Nach den Mühen der Eilmärsche,
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