Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
trat auf die Brust eines gefallenen Makedonen, taumelte, blieb stehen. » O die Füße«, ächzte er.
Demades schnitt eine Grimasse. » Was ist los?«
Demosthenes hüpfte auf einem Bein weiter. » Ein Stein… Kiesel.«
» Hast du wieder an den Zehen gelutscht?«
Demosthenes grunzte, hüpfte und ließ sich zu Boden sinken. Demades rief über die Schulter zurück: » Was war mit deinem Antrag?«
Demosthenes hob die Hand, blieb sitzen, zog eine Sandale aus. Er hockte auf und zwischen Sterbenden und Toten beider Seiten, hielt sich den Fuß. Er zog den Beutel unterm Brustschutz hervor, nahm die Kiesel heraus, betrachtete sie und steckte sie in den Mund. Langsam zupfte er das Schwert, Stückchen für Stückchen, aus dem Gurt, legte es neben sich, legte die Lanze auf den Boden, zwischen zwei Leichen. Den Helm behielt er auf.
Es dauerte nicht einmal zwei Stunden, vom ersten Zusammenprall bis zum Ende, zur hellenischen Katastrophe, zum Albtraum und zur Flucht. Zu Triumph und Rausch und Würgen.
Sie ritten durch die Ebene, vorbei an marschierenden Abteilungen auf dem Weg zu ihren Stellungen. Parmenion schwieg; seine Augen waren überall. Hin und wieder winkte er jemandem zu oder deutete auf etwas. Philipp brüllte Befehle, rief einzelnen Männern, die er alle mit Namen anredete, Aufmunterungen, Scherze oder Unflätigkeiten zu. Alexander hielt Ausschau nach einigen Gefährten, die er in der Schlacht an seiner Seite sehen oder vielleicht spüren wollte. Am Rand eines sumpfigen Stücks, wo der Bach Molos sich sickernd verbreitete, zügelte Philipp seinen schwarzen Hengst.
» Trennung. Die Götter mögen mit dir sein, Sohn. Meine Gedanken sind es– sofern ich sie lange genug von anderen Dingen losreißen kann.« Er streckte den Arm aus, berührte Alexanders Hand. Mit dem Kinn wies er auf eine Gruppe berittener Gefährten. » Krateros, Laomedon, Meleagros zu mir!«
» Aber… meine Freunde.«
» Im Krieg gibt es keine Freunde, nur Fragen der Nützlichkeit, Junge.« Parmenions tiefe Stimme schnarrte wie eine beschädigte, mit dem Fingernagel angerissene Saite.
Philipp grinste. » Du hörst es. Du brauchst Ungestüm, auf deinem Flügel. Wir brauchen die Gelassenen, die Wägenden, die mit den harten Wangenmuskeln, die Durchbeißer.«
Die besonders tüchtigen, besonders edlen, besonders ausgezeichneten jungen Offiziere, die keine eigenen Einheiten hatten, wurden neu aufgeteilt. Parmenion stöhnte, als Philipp ihm die lynkestischen Fürstensöhne Heromenes, Alexandras und Arrhabaios nahm, um sie der Leibtruppe unter Pausanias zuzuteilen. » Du hast Attalos.« Der König blinzelte. » Den kann ich mit seinen Leuten nicht in Pausanias’ Nähe holen, oder? Also!«
Parmenion hielt sich zurück. Auch als die Schlacht begann, griff er nicht ein. Er saß hoch aufgerichtet auf seinem Pferd, hinter dem mittleren Abschnitt der makedonischen Reihen, umgeben von einigen Stabsoffizieren und Meldereitern. Er beobachtete, nahm Meldungen entgegen, erteilte halblaut äußerst knappe, genaue Befehle. Alles mochte davon abhängen, daß bestimmte Bewegungen keinen Moment zu früh, aber auch keinen Moment zu spät ausgeführt wurden, wenn Philipps Meisterplan aufgehen sollte.
Thebens Heilige Schar, die Unbesiegbaren, die Liebenden, die Heroen: Sie waren geachtet, gefürchtet, sie waren die Besten, und sie waren sicher, daß niemand sie angreifen würde. Immer waren sie es, die den Angriff vortrugen, und es waren immer die anderen, die ihnen gegenüberstanden, die sich meist vergebens bemühten, dem Angriff zu wehren. Sie hielten den rechten Flügel der hellenischen Aufstellung, in der Ebene am Kephissos, wo kein Hügel, kein Fels, keine Enge ihre Wucht und Beweglichkeit mindern konnte. An diesem Tag mehrten sie ihren unsterblichen Ruhm durch tapfere Gegenwehr, Tugend und Tod.
Die Männer nahmen das übliche Gerangel kaum zur Kenntnis. Sie folgten ihren Offizieren und kümmerten sich nicht darum, welcher Stratege aus welchen Gründen welche Stabsoffiziere bei sich haben wollte.
Emes sah Philotas, Parmenions Sohn, zu Fuß, in der Rüstung eines Hopliten. Er ging vielleicht zehn Schritte vor der Gruppe her, die wie von selbst Reihen bildete, und unterhielt sich mit einem der älteren Unterführer. Es war gut, ihn dabeizuhaben. Sohn des großen Parmenion und hetairos Alexanders; irgendwie waren die jungen Männer etwas Besonderes. Alle schnell und sehnig, immer vorneweg, lebendiger als die meisten Stabsoffiziere; sie konnten anpacken und, o
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