Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
hat er bereits besetzen lassen; der boiotische Bund ist aufgelöst, Theben hat die Hegemonie verloren. Mit wem können wir noch rechnen? Der Herrscher der Lakedaimonier ist tot– Archidamos, König von Sparta, ist in Italien gefallen, als Söldner, mit vielen seiner Männer. Sparta scheidet aus. Der edle Perser, den wir erwarten, bringt Nachrichten vom Tod des Großkönigs.«
» Was?« Eubulos fuhr auf. » Artaxerxes Ochos ist tot?«
Hypereides seufzte. » Er hat Persien wieder groß gemacht; in seinem Schatten konnte manches gedeihen. Nun ist der Baum gefällt worden, durch Gift. Sein Sohn, Arses, ist der neue Großkönig; er ist wohl grundsätzlich gewillt, sein mildes Wohlwollen über uns zu ergießen, aber Genaues wird der Gesandte sagen. Sobald er eintrifft.«
Eubulos blickte auf den Tisch und die Becher. » Wer sind die anderen drei? Wir, der Perser– wer noch?«
» Xenokrates.«
Eubulos starrte Lykurgos an. » Der Leiter von Platons Akademie? Er ist aus Chalkedon; kein Athener. Und– was soll er hier?«
Hypereides setzte sich endlich hin. » Er hat, auf unsere Bitten, einen Brief geschrieben und mit schnellem Boten abgeschickt. Nach der Katastrophe.«
» An wen?«
» An Aristoteles. Mit der Bitte, auf Philipp einzuwirken, damit die Bedingungen nicht allzu hart werden.«
Eubulos grunzte. » Blödsinn. Aristoteles wird nicht auf Xenokrates hören und Philipp nicht auf Aristoteles. Was ist das hier eigentlich, diese Versammlung? Athener, die einen Chalkedonier anflehen, er möge sich bei einem Stageiriten verwenden, damit dieser auf einen Makedonen einredet? Ist das der Stolz Athens? Würmer. Ratten. Geschmeiß.«
Hypereides hob die Schultern. » Danke, gleichfalls. Wozu verhilft uns Stolz in dieser Lage?«
» Mit mehr Stolz und Verstand wärt ihr… aber es hat ja doch keinen Zweck.«
» Vater der Heimat«, sagte Lykurgos leise; es klang durchaus nicht spöttisch. » Vielleicht hast du recht. Vielleicht hätten wir wirklich einen Ausgleich suchen sollen. Aber es ist jetzt zu spät dazu. Der Schaden ist geschehen; wir müssen versuchen, ihn zu begrenzen. Für Athen, nicht für oder gegen die eine oder andere Partei.«
Eubulos starrte zur Tür. » Wer noch?«
» Aischines.« Hypereides sagte es mit einem Unterton von Ablehnung, von Bedauern, beinahe von Haß. » Der Makedonenfreund. Der Friedensfreund. Vielleicht hat er ja Einfälle.«
» Wer noch?«
Hypereides sah Lykurgos an; Lykurgos setzte ein schräges Lächeln auf, das sofort wieder abrutschte und zu einer Grimasse wurde.
Eubulos beobachtete sie; er richtete sich auf und hieb auf den Tisch. » Also ist das Schwein entkommen? Ist er der siebte?«
Demosthenes kroch förmlich auf dem Bauch vor Eubulos. Großer Meister. Mein Lehrherr. Du, dem ich alles verdanke. Die anderen sahen mehr oder minder unbewegt zu; einzig der Gesandte des neuen Großkönigs erlaubte sich einen Gesichtsausdruck der Verwunderung.
» Arses, mein Herr, und seine Berater, Bagoas der Hurtige und Bagoas der Heile, versichern die Stadt und die Bürger ihres unverbrüchlichen Wohlwollens und der weiteren Hilfe im Kampf gegen den gemeinsamen Feind.« Der Perser machte eine Pause und musterte die Gesichter von Eubulos und Aischines. Xenokrates nutzte die Gelegenheit, um aufzustehen und zur Tür zu gehen.
» Wenn die edlen Herren der Stadt mir vergeben…«
Hypereides hielt ihn am Ärmel des langen Chiton fest. » Wohin so eilig, Freund?«
Der Philosoph aus Chalkedon kicherte schrill. » Was ich zu sagen hatte, habe ich gesagt. Was ich hören wollte, habe ich gehört. Wenn es um die Zukunft und… hintergründige Absprachen geht, möchte ich lieber gehen, ehe ich höre, was ich später besser nicht gehört haben sollte.«
» Ein kluger Mann.« Der Perser wandte sich den anderen zu, nachdem die Tür geschlossen worden war. » Wir rechnen auf eure Bündnistreue. Natürlich hat sich, seit ich aufbrach, die Lage ein wenig geändert. Chaironeia verändert vieles. Wie steht es damit?«
Lykurgos räusperte sich. » Man wird vorsichtiger auftreten müssen.«
» Das ist gewiß. Aber– wie vorsichtig?«
Aischines hatte sich neben Eubulos niedergelassen und zu Boden gestarrt; nun blickte er auf. » Ihr seid ganz einfach wahnsinnig– immer noch. Das Heer ist geschlagen, Theben besetzt, keiner weiß, was Philipp mit Athen anstellen wird, und ihr redet mit einem Gesandten des Großkönigs, als ob Athen über sich und die Zukunft verfügen könnte.«
Der Perser lächelte. Er
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