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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Sklave brachte ihm ein Bündel benutzter Pfeile. » Ich hatte die Nase voll von all dem Papyros; und von Gedanken, die vertrocknete Schalen ohne Frucht sind. Ich wollte sehen, wie das Leben an anderen Orten beschaffen ist; deshalb bin ich mit einem Freund in den Norden gezogen, einem Händler.«
    Parmenion zog die Oberlippe zwischen die Zähne und blinzelte. Aristoteles hatte sich vornübergebeugt und reinigte die Pfeilspitzen mit einem Grasbüschel. Die Felljacke über dem Chiton öffnete sich. Aus dem hellen Stoff glitt ein schweres Amulett; es baumelte von einer Goldkette um Aristoteles’ Hals.
    » Und diese Pfeilschießerei; ist sie Teil deiner Philosophie?«
    Aristoteles gluckste, ohne aufzublicken. » In meiner Philosophie stecken mehr Dinge als in meinem Köcher. Aber sogar der große Sokrates war stolz darauf, in der Schlacht gekämpft zu haben.«
    Parmenions Augen folgten den Pendelbewegungen des Amuletts. » Keine Furcht?«
    Aristoteles richtete sich auf; er hielt die gereinigten Pfeile hoch und lächelte. » Es ist nicht mein Los, hier gegen die Barbaren zu fallen. Und wenn es mein Los wäre, wie könnte ich ihm dann entgehen?«
    » Wenn du dich je langweilst: Das neue Heer könnte einen Mann wie dich brauchen.«
    Aristoteles wackelte mit dem Kopf. » Wenn du dich je langweilst: Einer wie du könnte der Akademie nicht schaden, Parmenion. Wie geht es Philipp? Wir haben früher mit Klötzchen gespielt. Und was ist das– ein neues Heer?«
    Parmenion hob die Hand. » Später. Es gibt gewisse Dinge…«
    Die toten Paionen waren verscharrt; der Händlerzug, die Makedonen und die Dörfler setzten sich langsam in Bewegung. Parmenion ritt hin und her, überließ dann alles seinen Unterführern und lenkte sein Pferd zum Karren des jungen Philosophen. Aristoteles war vom Wagen gestiegen, den ein Sklave lenkte, und ging neben Drakon. Der Heiler kaute auf einer mattroten Steppenblume.
    » Noch mehr alte Bekannte?« Parmenion glitt vom Pferd und wickelte sich den Zügel ums Handgelenk.
    » Wir reden über Klötzchen und Zähne.« Drakon grinste; die Blume hüpfte. » Eigentlich kaum ein Unterschied.«
    » Erzähl mir von Philipp«, sagte Aristoteles. » Und dem neuen Heer. Als ich in den Norden gezogen bin, vor einem Jahr, lebte König Perdikkas noch.«
    Parmenion klickte mit der Zunge. » Da lebten auch andere noch… Erinnerst du dich an die Mutter?«
    Aristoteles schüttelte sich. » Ungern. Was für ein Weib! Sie hat Philipps Vater vergiftet, oder? Jedenfalls wurde das gesagt.«
    Drakon summte leise; er tätschelte den Hals des neben ihm schnaubenden Pferdes. Parmenion seufzte.
    » Amyntas war kein schlechter König«, sagte er halblaut. » Es war eine schlechte Zeit. Der Chalkidische Bund von Osten, die Thraker von Nordosten, Triballer, Paionen und Illyrer von Norden und Westen– weißt du, daß wir den Illyrern Tribut gezahlt haben, jahrelang? Dazu die ewigen Einmischungen von Sparta, Athen und Theben, und im Innern die anmaßenden Gebietsfürsten, die selber König spielen und lieber den Barbaren gehorchen wollten als dem eigenen Herrscher. Eine schlimme Zeit. Wie gesagt, Amyntas war nicht schlecht; er hat versucht, die Dinge auszugleichen. Aber das weißt du ja.«
    Aristoteles schüttelte langsam den Kopf. » Du warst dabei, Parmenion. Ich war ein Kind, später war ich weit weg; ich habe viele Gerüchte gehört, aber Gerüchte sind keine Grundlage für Wissen. Ich weiß nur, daß viele widerwärtige Dinge geschehen sind. Verträge mit Olynth gegen die Illyrer, dann mit Athen gegen Olynth, dann mit Sparta gegen Athen, dann mit Theben gegen Sparta. Das Wettkriechen der Hellenen, auf blanken Bäuchen, vor dem Großkönig, und Artaxerxes’ Anordnungen darüber, wie viele Schiffe Athen bauen darf und wie viele thessalische Reiter den Makedonen gegen die Paionen helfen dürfen.« Er spuckte aus.
    Drakon kicherte. » Das ist, was man Politik nennt, Aristoteles. Gefällt es dir nicht?«
    » Es ist würdelos, und keinerlei Tugend haftet daran. Herrscher, ob sie nun gewählt oder geboren sind, müssen den Menschen zu einem Leben in Würde und Tugend verhelfen.– Aber sprich weiter, Parmenion. Erzähl von den Dingen, die du gesehen hast.«
    Parmenion schob den Helm in den Nacken. » Es ist da nicht viel Würde und Tugend.« Etwas wie Trauer klang aus seiner Stimme. » Amyntas hat versucht, all diese Dinge gegeneinander abzuwiegen, aber wie willst du die Waage im Gleichgewicht halten, wenn dir dauernd von allen Seiten

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