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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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mit dem Philipp irgendwelche Worte wechselte, war ein lynkestischer Fürstensohn, Arrhabaios, soweit Aristoteles sich erinnerte. Philipp stand allein vor ihm; die Leibwache hielt Abstand, der ganze Zug stockte.
    Pausanias, Hauptmann der königlichen Leibwache, trat näher; als ob er Philipp bitten wollte, er möge doch weitergehen. Philipp wandte sich ihm zu. Pausanias’ Hand verschwand einen Moment in der Brustfalte seines weißen Gewands, kam zum Vorschein, hielt einen Doch, hob sich und stieß zu.
    Einige Lidschläge lang schien die Welt den Atem anzuhalten. Totenstille lag über dem Theater, über den Wegen. Philipp stand, schwankte, stürzte; Pausanias stieß Arrhabaios beiseite und rannte los, einen Nebenweg hinab, zu einem alten Tempelchen. Etwas bewegte sich dort; der helle Schweif eines Pferdes?
    Dann brach das Chaos aus. Ein vieltausendstimmiger Schrei des Entsetzens stieg aus dem Theater auf. Alexander und Alexandras liefen zurück zum gestürzten König; gleichzeitig rannten Männer der Wache los, hinter Pausanias her. Heromenes, der in der Nähe seines Bruders Arrhabaios gestanden hatte, schloß sich ihnen an; plötzlich hatte er eine Lanze.
    Demaratos schlug die Hände vors Gesicht. Kallisthenes starrte mit aufgerissenen Augen hinüber zum Ort des Mordes. Aristoteles, bleich und gesammelt, folgte dem Mörder mit den Augen. Pausanias hatte einen guten Vorsprung; er würde das wartende Pferd erreichen, aufspringen und davonreiten, ehe ihn jemand daran hindern konnte. Der Philosoph erkannte einige der Verfolger an ihren Bewegungen– er hatte sie jahrelang laufen, stehen, sitzen, ringen und schlummern sehen. Perdikkas war dabei, Leonnatos, Attalos.
    Plötzlich strauchelte Pausanias und schlug lang hin. Wein wuchs dort neben dem Weg; Wein umwucherte den kleinen Tempel, neben dem das Pferd wartete. Vielleicht hatte er sich in einer Weinranke verfangen. Er kam auf die Knie, auf die Füße; dann waren sie bei ihm. Heromenes führte den ersten Stoß. Aristoteles sah die Lanzen blinken; danach nur noch Getümmel. Er wandte sich ab.
    Allmählich ließen der Lärm, das Geschrei, die Rufe nach. Die Makedonen im Theater hatten die Kränze vom Kopf genommen; man hörte Frauen weinen. Aristoteles sah, daß auch viele hellenische Gäste nicht mehr geschmückt waren. Einige hatten sich die Festgewänder vor der Brust zerrissen. Demaratos saß reglos, in sich versunken; neben ihm Kallisthenes, kreideweiß. Aristoteles stieß ihn an.
    » Denk daran, daß du immer alles aufzeichnen wolltest«, rief er. Bloßes Reden wäre unhörbar gewesen. » Dies ist ein furchtbarer Tag, für uns alle. Schau hin, damit du später schreiben kannst.«
    Kallisthenes blickte zu ihm auf, öffnete den Mund, schloß ihn wieder. Tränen rannen seine Wangen hinunter.
    Eine Hand fiel auf die Schulter des Philosophen. Aristoteles wandte sich um. Demades war mit den anderen Athenern ein paar Ränge herabgestiegen. Aischines hielt einen Blumenkranz in den Händen und zerfetzte ihn mit kleinen, ruckartigen Bewegungen. Sein Gesicht war düster. Der Makedonenfeind Hypereides hatte die Stirn gerunzelt. Demades, blaß und verstört, drückte Aristoteles’ Schulter.
    » Was… was geschieht jetzt? Du kennst sie doch alle.«
    Aristoteles schüttelte langsam den Kopf. » Ich kenne sie nicht alle. Ich weiß nicht, was in einem solchen Fall in Makedonien geschieht. Der Fall ist nicht gerade alltäglich. Und Philipp war einzigartig.«
    Hypereides zuckte mit den Schultern. » Wie man’s nimmt. Doch, du hast recht, Philosoph. Er war einzig. Was bedeutet es für Hellas? Für Athen? Freiheit?«
    Demades fauchte. » Die hatten wir, auch unter Philipp. Es bedeutet allenfalls Krieg und Verwüstung, Mann. Wenn nicht jemand den Kopf behält.«
    » Wer?« sagte Aischines rauh.
    Aristoteles wandte sich ab und versuchte, sich einen Weg abwärts durch das Gedränge zu bahnen. Langsam, unendlich langsam kam er voran. Er war noch weit von der Fläche vor der Bühne entfernt, als der scharfe Klang von Trompeten die Luft zerriß.
    Alle hatten es gesehen. Antipatros bewegte sich als erster. Die Führer der Leibwache, die auf ihrem Posten geblieben waren, sahen seine Hände, verstanden, gaben die stummen Befehle weiter. Antigonos, Demetrios, Glaukos, andere erfahrene Offiziere, die ältesten der Gebietsfürsten und einige Dutzend Kämpfer bildeten mit ihren Leibern einen Ring um die Stelle, wo Philipp in einer Blutlache lag. Aber sie schützten nicht den Sterbenden, der

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