Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
vielleicht schon tot war; sie schützten einen Lebenden.
Alexander kniete neben seinem Vater, bettete dessen Haupt in seinen Schoß. Seine Wangen waren naß, als er sich über das Gesicht des Königs beugte. Philipps Auge bewegte sich, zur Seite, nach unten, nach oben; er schien zu blinzeln, die Lippen zuckten. Vielleicht sagte er etwas, aber außer Alexander konnte niemand es hören. Einige Schritte entfernt lag die Königin; sie war nicht ohnmächtig geworden, sie war gestürzt. Ihre Hände rieben immer wieder über den Bauch. Sie hatte die Lider wie im Krampf geschlossen, warf den Kopf hin und her und stieß ein schrilles Wimmern durch die Nase aus. Alexandras stand hinter Alexander, die Hand auf dessen Schulter gelegt, und schaute zu den Frauen, die sich um die liegende Königin drängten. Alexanders Schwester war dabei, die neue Herrin von Epeiros.
Drakon kaute auf einem Weinblatt. Er kam mit schnellen Schritten zum Kreis; Antipatros ließ ihn durch. Der Arzt kniete neben Philipp und Alexander nieder, beugte sich über den König, tastete nach der Wunde, hielt das Ohr an Philipps Mund; dann nahm er, ohne sich aufzurichten, Alexanders rechte Hand und legte sie auf die Augen des Königs. Er richtete sich sehr langsam auf, suchte Antipatros mit einem langen, traurigen Blick und schüttelte den Kopf. Er stand auf und ging zu den Frauen, kniete neben der schwangeren Königin, die nun Witwe war, sprang wieder auf und brüllte Befehle. Ein paar Mann der Wache kamen mit einer Decke, Lederriemen und Lanzen, fertigten eine Trage und hoben Kleopatra sanft darauf.
Antipatros stieß einen tiefen Seufzer aus, als endlich, endlich die Bläser von irgendwo Befehle erhielten und die Salpingen an die Lippen setzten.
Den scharfen Klängen der Signale folgte eine fast betäubende Stille, in der die Schritte der eintreffenden Truppen zu hören waren. Kleitos der Schwarze übernahm die Leitung; seine schnellen, harten Befehle waren gut zu hören. Das Gelände um das Theater wurde weiträumig abgesperrt; Hopliten und Bogenschützen bildeten eine Kette, besetzten die Seiten, die Ausgänge, die Bühne. Kleitos lief ein paar Schritte weiter, sah sich um, übertrug Hephaistion die Führung der unmittelbaren Leibwache, deren Hauptmann Pausanias gewesen war, trat dann zu den Fürsten und legte die rechte Hand auf die Brust. Sein Gesicht zeigte Entsetzen, aber seine Stimme schwankte nicht.
» Es ist alles gesichert, Hüter des Friedens.«
Antipatros nickte; der schützende Ring löste sich auf. Vom kleinen Tempel her kamen Krieger mit dem Leichnam des Mörders. Hephaistion und die anderen Fürstensöhne der Leibtruppe traten zu Alexander; Hephaistion berührte ihn sanft an der Schulter. Sie hoben Philipp auf; Alexander stützte den Kopf des Toten. Er blickte aus verschleierten Augen die Fürsten an, riß sich sichtbar zusammen und nickte Antipatros, Antigonos und Kleitos zu. Gemeinsam trugen sie Philipp ins Theater.
Die Gebietsfürsten berieten, kurz und offenbar ohne Meinungsverschiedenheiten. Der Älteste kam mit schweren Schritten zur Bühne. Er wartete. Kleitos sah sich um, winkte dem königlichen Hausmeister Archelaos und ging ihm ein paar Schritte entgegen. Archelaos trug ein langes Bündel; langsam und steif trat er zu Kleitos, verneigte sich, hielt ihm das Bündel hin. Er weinte laut.
Aristandros, der höchste Priester Makedoniens, schlug das schwere, mit Purpur gefärbte und mit Goldfäden bestickte Tuch zurück. Dann streckte er die Arme aus und hielt einen Moment lang die Hände über das offene Bündel. Er sah sich um, wies mit dem Kinn auf einen der einfachen Hopliten.
» Du da. Komm her.«
Emes trat vor, nachdem er die Lanze und das Schwert seinem Nebenmann gegeben hatte. Aristandros wandte sich den Fürsten zu, dem Theater, den Makedonen und den Gästen, die mit dieser Handlung eigentlich nichts mehr zu tun hatten.
» Die Gunst der Götter«, rief der Priester und Seher. » Ihre Gnade bewirke Heil. Das makedonische Volk in Waffen!«
Emes kniete und streckte die Arme aus, die Handflächen nach oben. Aristandros nahm das mannslange, uralte, kostbar verzierte Schwert der Könige aus dem Tuch, legte es auf die Hände des Kriegers, murmelte etwas. Im Theater war es totenstill; dennoch verstand keiner, was der Seher sagte.
Emes erhob sich, schwankend. Er ging zu Kleitos, der in die Knie sank und die Arme ausstreckte.
» Die Hauptleute!« rief Emes.
Kleitos nahm das Schwert entgegen, stand auf, hielt es hoch und ging
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